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Freitag, 17. März 2006, 15:00

Wie entsteht ein Hörspiel ?

Mich würde mal interessieren wie vor allem bei den kleineren Labels ein Hörspiel entsteht.
Wie sind die Vorbereitungen ? Welche Arbeitsschritte gibt es ? Wer sucht das Thea aus, wer die Sprecher, wie kommt man auf die Sprecher ? was sind die Produktionskosten und und und ...

Fragen über Fragen !!!

Vielleicht können ja ein paar hier präsente Labels aus ein bisschen aus dem Nähkästen erzählen.

Wäre wirklich interessant :]

:yaya:

Beiträge: 1 383

Wohnort: Osnabrück

Beruf: Hörspielproduzent

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Freitag, 17. März 2006, 15:45

Na, dann will ich mal zusammentragen. Nehmen wir am Besten das Beispiel "Rettungskreuzer Ikarus", da gab und gibt es die meiste Arbeit drumrum.

1) Vorlage
Als wir auf der Suche nach Stoffen waren, schickte uns Guido Latz vom Atlantis-Verlag eine Kiste mit vielen Sachen aus seinem Programm. Unter anderem "Rettungskreuzer Ikarus". Uns gefiel die Art der Serie, die quasi in sich abgeschlossenen Geschichten und der allumfassende Gesamthandlungsbogen (der aber den Hörer bei weitem nicht so sehr fordern und verwirren sollte wie zB bei "Gabriel Burns)

2) Rechte einholen
Fällt bei Eigenproduktionen weg, aber in diesem Fall mussten wir uns mit dem Hauptautor der Serie, Dirk van den Boom, kurzschließen. Im Allgemeinen schildert man, was man vorhat, was man anbieten kann etc. Hörbeispiele können auch hilfreich sein.
Viele Hörspiele scheitern in diesem Stadium, weil Verlage oder Autoren andere Vorstellungen haben. Hier muss man sich einfach klarmachen, dass "andere Vorstellungen" nicht unbedingt "deins ist schlecht" bedeutet.
Dirk und ich hatten zum Glück die gleichen Ansätze und Vorstellungen, und so, wie ich in seine Romanvorlagen vertraue, so vertraut er in das, was wir als Hörspiel daraus machen werden.

3) Koordination
Schwierig, und - zumindest bei mir - sehr unterschätzt worden. Wer macht die Musik, wer kann eine Hörpsielfassung entwerfen, die zwar einerseits möglichst originalgetreu ist, aber andererseits die Art eines Hörspiels erfüllt? Wann kann eingesprochen werden? Wie wird das bezahlt?
Die Planung begann ab ca. September 2005 und wurde erst abschließend im Februar 2006 geklärt.

4) Hörspielfassung
Der erstmal wichtigste Teil des Ganzen. Alles raus, was keine Miete zahlt. Alles rein, was eventuell mal Miete zahlen könnte. Kapitel, in denen es nur Erzähler gibt, müssen neu geschrieben werden, "blumige" Beschreibungen müssen rausfliegen.
Wichtigster Knackpunkt: Ein BUCH liest der Leser unter Umständen viele Abende lang. Wenn die Müdigkeit kommt, legt man es auf den Nachttisch. Ein Hörspiel muss in maximal einer Stunde abgefrühstückt sein, dabei aber genauso gut unterhalten wie das Buch.
Diese Aufgabe hat Michael Eickhorst übernommen.

5) Sprecher
Das wohl Kniffligste an der ganzen Sache. Man zahlt keine Millionengagen, und ein Sprecher vom Kaliber "Jürgen Thormann" hat es auch weiß Gott nicht nötig, alles zu machen. Man wird erahnen können, welch feinfühliges Terretorium diese Sprecher-Überzeugung ist. Leider klappt es nicht bei allen Sprechern, aber bei den meisten. Und mit vielen hat sich auch recht bald ein sehr freundschaftliches Verhältnis aufgebaut. So war das Einsprechen im März eher eine Art Treffen guter Freunde als eine nüchterne Zusammenarbeit. Natürlich gibt es auch in diesem Punkt Ausnahmen ;)

6) Aufnahme
Wenn die Koordination gut war und das Schicksal nicht nochmal alles durchmischt, dann trifft man sich für einige Tage im Studio und empfängt einen Sprecher nach dem Anderen. Hier wirds ein kniffeliges Spielchen: Wieviel Zeit plane ich für welchen Sprecher ein? Lieber etwas mehr, dann hat man Luft. Ach nein, lieber etwas weniger, denn "Luft" bedeutet, dass man einen Tontechniker dort sitzen hat, der bezahlt wird fürs Nichtstun. Andererseits will man fertig werden und nicht angefangene Sachen liegen lassen, weil schon der Nächste kommt.
Leider gibt es keine Faustregel, was die Sprecher angeht. Ingo Albrecht hat einen anderen Output als eine Ulrike Stürzbecher - vollkommen klar, es ist halt niemand gleich. Das muss man einfach einmal wissen, dann stellt man sich drauf ein. Wichtig ist das Endergebnis, und das stimmt bei allen.
Dennoch gibt es Feinheiten: War der Sprecher abends noch auf einer Synchronparty, auf der gut gebechert wurde, dauert die Performance am nächsten Tag im Studio länger als sonst (wirklich passiert :D ).

7) Layout
Nun beginnt Lars Vollbrecht mit dem Layout. Da wir uns für neue Cover entscheiden, hat Lars die komplett freie Hand im Design - er enttäuscht uns nicht. Während in Osnabrück das Hörspiel entsteht, wächst in Hamburg dessen Kleidung.

8) Grobschnitt
Jeder Sprecher bietet meistens für seine Rollen mehrere Takes an. Nicht immer, aber dann und wann. Im Grobschnitt nehme ich mir die Sprachaufnahme von Sven Hasper für "Ikarus". Dann werte ich es aus und schneide alle Sätze raus, die genommen werden. Am Ende sind alle Sachen übrig, die im Textbuch stehen. Aber nur noch in einer Variante. Wenn man dies mit allen Sprechern gemacht hat, bleibt ein Ordner auf demPC, in dem alle Sätze drin sind. Geschickte Nummerierung bereits im Script erlaubt dann eine Kette von 1 bis 433 (Rettungskreuezr Ikarus 1).

9) Feinschnitt
Man importiert alles von 1 bis 433 in die Hauptmontage, und dann geht es rund. Alles wird aneinander gesetzt. Da wir fast alles x-en, beginnt nun die feinfühlige Mischung des Ganzen. Wer fällt wann wem ins Wort? Wer lässt wen ausreden? Das alles sind unterschwellige Botschaften für den Hörer, die muss man gewissenhaft setzen.

10) Geräusche
"Uno oftunterschätzt", könnte man sagen. Hier entscheidet sich alles. Neben der Inszenierung sind die Geräusche mit das Wichtigste, um aus dem im Studio im trockenen Raum eingesprochenen Satz die Atmosphäre der Empfangshalle des Danari-Tempels zu machen.

11) Musik
Wenn alles fertig ist, die Kürzungen vorgenommen wurden etc., dann kommt der Soundtrack. Ein Mix aus orchestral anmutenden Arrangements, gemixt mit spacigem Sound - so könnte ich es mir vorstellen. Aber vielleicht auch nicht. Ich kann es noch nicht sagen, denn derzeit sind wir noch bei Punkt 8.

12) Endabmischung
Der wohl schönste Moment, bevor man sich ärgert, dass alles vorbei ist. Die Master-CD fürs Presswerk wird erstellt.

13) Herstellung
Ein Presswerk macht aus einem schnöden ALDI-CD-Rohling unzählige Weltraumabenteuer :D

14) Die Auslieferung
Der letzte Alptraum: Jedes Hörspiel kommt als 100-Kilo-Palette wieder zu uns zurück, macht Anfang Mai 400 Kilo, die ich ins Haus schleppen darf. Wunderbar...


Gebe Dich niemals mit einer Hörspielgurke ab.
Erst zieht sie dich auf ihr sein Niveau hinab.
Danach schlägt sie dich aufgrund ihr seiner Hörspiel-Erfahrung.

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Samstag, 18. März 2006, 13:20

also vielen herzlichen Dank ( !!! ) für diese ausführliche und sehr interessante Schilderung. :applaus:
ich hab noch viele offene Fragen ... aber die schreib ich das nächste mal wenn ich mehr Zeit hab.
Vielen Dank nochmal.

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4

Samstag, 18. März 2006, 14:12

Zitat

Original von Hobse
ich hab noch viele offene Fragen ... aber die schreib ich das nächste mal wenn ich mehr Zeit hab.

Jau, lass knacken! Ich werde mich bemühen, alles sorgfältigst zu beantworten :)

Ich denke, zur nächsten Produktion sollten wir eine Besichtigung verlosen, der Gewinner darf dann bei einem Einsprechen dabei sein :)


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Michael

Fortes fortuna adiuvat

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5

Samstag, 18. März 2006, 14:35

Ähhh, wie lautet die Gewinnfrage dann? :confused:

Das wäre schon etwas, was superinteressant wäre... ;)

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"Alles richtig machen ist unmöglich. Gerecht zu sein noch mehr!
Aber der Wille dazu, der muss in jeder Situation,
bei deinem Tun und Handeln erkennbar sein."
Dr. Markus Merk