CLH - Hoerspielforum und mehr

Ich bin mir nicht sicher, ob man diesen Abend treffend als das bezeichnen kann, was man heute umgangssprachlich ein "Date" nennt. Zumindest sollte ich meine neue Flamme, Sylvia, bei ihrem Großvater abholen, bei dem sie wohnt und den sie voller Hingabe pflegt. Als sich die Tür öffnete, stand ein unrasierter Typ vor mir, den ich auf Mitte 70 Jahre schätzen würde. Bekleidet war er lediglich mit einem Hausschuh, einen weit geöffneten Morgenmantel und einer Unterhose, die nur noch mit Hilfe einer Horde Fleckenzwerge zusammengehalten wurde. Er wollte gerade etwas sagen, als ihn ein Hustenanfall überkam. Er spukte seine Zigarette und etwas gelblichen Auswurf in meine Richtung. "Komm rein!", begrüßte er mich schließlich. "Sylvi ist gleich fertig!"...

Anfangs dachte ich, das werde ich auch noch überstehen. Mein Schatz wird gleich auftauchen und dann fahren wir zu mir, wo ich Sylvia nicht nur mit kulinarischen Leckereien verwöhnen werde. Doch jetzt stand ich erstmal in einem uralten Wohnzimmer vor einem uralten Sessel.


Sylvia: (aus dem Badezimmer rufend) "ICH KOMME GLEICH!"

Ich: "Ja, schön. Lass dir ruhig Zeit!"

Sylvia: "ICH FÖN' MIR JETZT DIE HAARE - DA KANN ICH EUCH NICHT HÖREN!"

Opa: "So, Junge, dann setz Deinen Arsch mal hin, bevor ich Genickstarre bekomme."

Ich: "Äh... Danke."

Opa: "Zigarette?"

Ich: "Danke, gern."

Opa: "Wie heißt du denn?"

Ich: "Frank."

Opa: "Hättest Dir auch 'nen Ochsenschwanz um den Hals binden können, statt dieser dämlichen Krawatte."

Ich: "Wie bitte?"

Opa: "Ein Ochsenschwanz verdeckt das ganze Arschloch!"

Ich: "Oh, äh, die Krawatte trag ich nur heute mal. Ausnahmsweise."

Opa: "Fall mir gefälligst nicht ins Wort!"

Ich: "Äh... 'Tschuldigung."

Opa: "Hör bloß mit diesen beschissenen Arschkriecher-Entschuldigungen auf! Sag mir lieber, was du an meiner Enkelin so toll findest!"

Ich: "Sie ist äh...."

Opa: "Hat 'nen hübschen Hintern, was?"

Ich: "Äh, ja, auch, aber..."

Opa: (Richtung Badezimmer brüllend) "HAST DU GEHÖRT, SYLVI? - ER IST GEIL AUF DEINEN ARSCH!"

Ich: "In erster Linie ist es doch der Charakter, der..."

Opa: "Halt's Maul! Von wegen Charakter! Ich kenn euch perverse Bankangestellte genau - ihr wollt doch nur das eine von meiner kleinen Sylvi!"

Ich: "Ich bin kein Bankangestellter, und außerdem kann ich ihnen versichern..."

Opa: "Ach was, Junge! Ich war doch früher genauso!"

Opa: "Ja, richtig gehört, Kleiner. Ein echtes Schwein war ich, aber das ist lange her. Hast du Lust auf Salzstangen? Zwischen den Ritzen hier müssten noch welche liegen. Warte." (Schickt sich an, das Sofa nach Salzstangen-Krümeln abzusuchen)

Ich: (hastig) "Nein, danke. Ich habe gerade erst gegessen!"

Opa: "Was bist du eigentlich von Beruf?"

Ich: "Ich schreibe für diverse Magazine."

Opa: "Was denn für Magazine? Irgend so'n schweinischen Kram, stimmt's?"

Ich: "Nein, nein. Ich schreibe unter einem Synonym für Tageszeitungen und hin und wieder auch für Magazine wie Brigitte oder Capital."

Opa: "Ha! Unter einem Synonym, wie? Das sind mir die richtigen! Zu feige, den richtigen Namen unter ihr schwachsinniges und unnötiges Geschmiere zu setzen!"

Ich: "Äh, bei der Frauenzeitschrift Brigitte ist es ganz sinnvoll, mit einem..."

Opa: "Hahaha - für ne Frauenzeitschrift! (brüllend) SYLVI! WAS HASTE DENN DA FÜR 'NE SELTSAME SCHWUCHTEL ANGESCHLEPPT!?"

Sylvia: (den Fön abschaltend) "WIE BITTE?"

Ich: "Äh... HAT SICH ERLEDIGT!"

Opa: Noch 'ne Zigarette?

Ich: "Nein, danke. Ich hab noch."

Opa: "Machs wie ich: rauch schneller! Aber was is nun, Rüdiger? Wollen wir uns einen Film anschauen?"

Ich: "Meine Name ist... äh... einen Film? Oh, nein. Danke. Sylvia und ich wollten noch..."

Opa: "Kein Widerwort. Das ist hier fast wie Kino!" (zeigt auf den Grundig-Fernseher aus den 70er Jahren)

Ich: (freundlich lachend) "Ja, nur das Popcorn fehlt."

Opa: "Quatsch, Junge. Sei doch mal ein bisschen lockerer..." (steht auf, geht in die Küche und kommt mit zwei Dosen Mais wieder) Da haste Dein Popcorn!

Ich: "Äh, aber das ist ja..."

Opa: "Scheiß drauf, Kleiner! Wozu das Zeug erst warm machen!? Das geht auch so!" (öffnet die beiden Dosen mit Hilfe eines verrosteten Schraubenziehers)

Ich: "Ich weiß nicht..."

Opa: "Willst wohl lieber was zu saufen, wie?" (kramt hinter dem Sofa, stellt kurz darauf zwei Dosen Bier auf den Tisch. Öffnet feierlich eine Dose, woraufhin das warme Gesöff auf den bereits verklebten Wohnzimmertisch und quer durch das Wohnzimmer spritzt) "Prost, Kleiner!"

Ich: "Tut mir leid, aber ich muss noch fahren."

Opa: "Red nicht so 'nen geschwollenen Müll. Ein bisschen Alkohol am Steuer hat noch niemandem geschadet!"

Sylvia: (kommt im Bademantel gehüllt aus dem Badezimmer) "Na, versteht ihr euch?"

Opa: "Dein Fick is noch etwas verklemmt, aber das wird noch."

Sylvia: "Opa! Du sollst doch solche Wort nicht sagen!"

Opa: "Willst du mir etwa das Wort verbieten? Etwas mehr Respekt vor dem Alter, wenn ich bitten darf!"

Sylvia: (lächelnd) "Halte dich bitte etwas zurück!"

Opa: (mustert seine Enkelin) "Kann sich durchaus für den Playboy ausziehen, stimmt's, Jürgen?"

Sylvia: "Wieso sollte ich mich plötzlich für den Playboy ausziehen?"

Opa: "Jetzt bist Du noch jung und attraktiv, kannst Deine Titten vorzeigen. In ein paar Jahren kannste dir das abschminken. Hab ich recht, Horst?"

Sylvia: "Opa, hör damit auf. Sowas mache ich doch nicht. Heute nicht und morgen erst recht nicht."

Opa: "Typisch. Da hat man mal 'ne Enkelin, aus der was geworden ist, die man auch mal vorzeigen kann und was passiert? Sie ziert sich!"

Sylvia: "Sorry, aber bei mir dauerts noch ein bisschen." (verschwindet wieder im Badezimmer)

Opa: (nachdenklich) "Sylvis Grossmutter hat es auch nicht mehr geschafft."

Ich: "Was nicht geschafft?"

Opa: "Nich so verpennt, Junge! Wovon reden wir denn? - Sich für den Playboy auszuziehen, natürlich! Mit 40 kannste als Frau doch keine Titten mehr zeigen! Da isses nunmal aus und vorbei!"

Ich: "Äh, wo ist Sylvias Großmutter denn jetzt?"

Opa: "Die hat sich erschossen."

Ich: "Oh, das tut mir leid."

Opa: "Kein Problem, Jüngchen - is schon dreißig Jahre her. Außerdem war es bereits meine zweite Frau. Aber ich erinnere mich daran, als ob es gestern gewesen wäre. Es war nämlich am letzten Tag unserer Flitterwochen."

Ich: "Oh..."

Opa: (holt eine Flasche Wodka hinterm Sofa vor) "Hör mir bloß auf mit deinem 'Das-tut-mir-leid'-Scheiß! Willste 'nen Wodka?"

Ich: "Nein, danke. Ich fahre lieber nüchtern... Und was ist mit ihrer jetzigen Frau?"

Opa: "Gibts nicht. Aber wenn du meine letzte Frau meinst, die hat sich auch erschossen."

Ich: "..."

Opa: "Ist auch schon fast eine Ewigkeit her. Auf mir muss ein Fluch liegen, oder sowas ähnliches. (lacht) Der Fluch kommt bestimmt von meiner ersten Frau - die is an einer Blutvergiftung gestorben. Tja, ich weiß auch nicht, woran das liegt. Noch 'ne Dose Popcorn?"

Ich: "Oh. Nein, danke. Ich ... äh ... schaff noch nicht mal diese Dose hier."

Opa: (hustend) "Zigarette?"

Ich: "Äh, ja. Danke."

Opa: "Erzähl mal.... Was habt ihr denn heut' Abend noch vor?"

Ich: "Äh... Wir wollen noch ein bisschen tanzen gehen, denk ich."

Opa: "Ja, am Arsch. Du willst Sylvi doch nur in deine verschissene Bumsbude entführen, um..."

Sylvia: (kommt ins Wohnzimmer) "Ich muss nochmal kurz zu einer Freundin. Die hat gerade angerufen, braucht Trost, weil ihr Freund Schluss gemacht hat."

Opa: "Ha! Ein typisches Beispiel. Ein kurzer Fick ist alles, was diese Typen heute wollen! Dem hätte ich die Eier mit bloßer Hand abgerissen!" (vollführt eine entsprechend ruckartige Bewegung mit der Hand)

Ich: (flehend) "Ich komme mit!"

Sylvia: "Nein, das geht nur von Frau zu Frau. Du würdest da nur stören. Ehrlich. Aber warte doch solange hier bei Opa. Er würde sich bestimmt sehr freuen. Dauert höchstens ein, zwei Stunden."

Opa: "Klar, Junge. Wir quatschen noch ein bisschen und ich such dir ein paar Knabbereien!" (beginnt wieder damit, die Zwischenräume des vermoderten Sofas abzutasten)

Ich: (eindringlich) "Äähh. Nein, wirklich, ich muss weg. Äh, ich muss den Tisch abbestellen, den ich für uns reserviert habe! Äh, das geht leider nicht telefonisch. Ist nämlich ein ... äh... recht eigenwilliger Afrikaner!"

Sylvia: "Verschieben wir es doch auf morgen? Hol mich doch morgen einfach wieder hier ab!?"

Ich: "Ääähh, morgen ist bei mir schon verplant. Ich ruf dich an, ja? So in zwei Wochen, ja?"

Opa: (grinsend) "Ich hoffe, du kannst dir vorstellen, was ich mit Typen anstelle, die meine Sylvi versetzen?"

Ich bin verloren! ...............