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Freitag, 4. November 2005, 21:19

CD: Helloween / Keeper Of The Seven Keys - The Legacy (SPV)

In den Jahren 1987/88 veröffentlichten Helloween ihre mittlerweile legendären Alben „Keeper Of The Seven Keys Part I & II“. Ihre Kombination von zweistimmigen Gitarrenläufen und der klaren und hohen Stimme von Michael Kiske schlug damals ein wie eine Bombe und stellte quasi die Geburtsstunde der Stilrichtung „Melodic Speed Metal“ dar. An den Erfolg den die Band damals hatte konnten sie bis heute nie wieder anknüpfen und das obwohl sie in all den langen Jahren seit damals stets gute Platten veröffentlichten. Doch nun haben sich die Kürbisköpfe an das von vielen als „unmögliche“ titulierte gewagt: Die Veröffentlichung eines weiteres „Keeper Of The Seven Keys“-Albums. Allerdings sind vom „Original“-Line-Up von damals nur noch Gitarrist Michael Weikath (Weiki) und Bassist Markus Grosskopf übrig geblieben. Gitarrist Kai Hansen ist seit vielen Jahren recht erfolgreich mit seiner neuen Band „Gamma Ray“ (aktuelle CD: Majestic) unterwegs, Sänger Michael Kiske hat sich nach einer Art „spiritueller Erleuchtung“ komplett aus dem Rock-Buissiness zurückgezogen und Schlagzeuger Ingo Schwichtenberg beginn 1994 Selbstmord. In den Fankreisen wurden dementsprechend schnell Töne laut, dass die Veröffentlichung eines weiteren Keeper-Albums doch nur der reine Ausverkauf und pure Geldmacherei sei, da man mit dem aktuellen Line-Up doch niemals den Spirit von damals würde reproduzieren können. Dennoch ist es seit dem 28.10.05 offiziell in Deutschland erhältlich:

Keeper Of The Seven Keys – The Legacy



Schon mit dem ersten Track von CD 1 macht man klar, dass man eines auch nach all den Jahren noch verdammt gut kann, nämlich das Komponieren eines waschechten Long-Tracks. The King For A 1000 Years bringt es auf fast 14 Minuten und kommt verdammt vielschichtig daher. Ruhige Passagen, wechseln sich mit schnellen, flotten Passagen und langsamen Stellen gekonnt ab. Von der langen Spielzeit merkt man als Hörer fast nichts und der Song hat Ohrwurm-Charakter. Allerdings muss man einen Stück mit einer derart langen Spielzeit schon ein paar Durchläufe geben, aber dann zündet es. Als Opener für eine Platte sicherlich ungewöhnlich, aber gut gewählt um die Marschrichtung direkt klar zu machen.

Auch The Invisible Man ist mit einer Spielzeit von 7:17 alles andere als kurz. Dieser Track stammt aus der Feder von „Neu-Gitarrist“ Sascha Gerstner (dabei seit 2002) und vollbringt das Kunststück, klassische Helloween-Melodien mit neuen Einflüssen zu verbinden. Vor allem der Piano-Teil in der Mitte stellt einen tollen Kontrast zu flotten Chorus da. Insgesamt betrachtet ein absoluter Ohrwurm, der für mich zu den stärksten Songs dieser Platte zählt.

Anschließend ist es an Weiki zu beweisen, dass er auch heute noch in der Lage ist traditionelle Stücke zu komponieren. Born On Judgment Day erweist sich somit als typische Helloween-Nummer, mit melodischen Gitarrenläufen. Durch den ausgedehnten Soloteil, bei dem alle Instrumente ihren Part haben (also auch Bass und Drums [!]) kommen leichte Erinnerungen an den Keeper II-Song „Eagle Fly Free“ auf. Ein weiterer überaus gelungener Song dieses Albums.

Mit Pleasure Drone zeigt Sascha Gerstner dann, dass er auch einfache Rock-Nummern komponieren kann. Der Aufbau des Songs ist relativ simpel gehalten, aber dennoch (oder grade deswegen?) geht die Nummer direkt ins Ohr und der Chorus regt zum Mitsingen an. Zwar hält der Track nicht ganz das Niveau der ersten drei Stücke, aber dennoch ist die Nummer alles andere als schwach und somit kann das Album bis hierher nahezu uneingeschränkt überzeugen.

Leider folgt nun für meinen Geschmack der große Fall in Form von Mrs. God. Der Song stammt aus der Feder von Sänger Andi Deris (dabei seit 1994) und hat mit seinen 2:55 Minuten die ideale Zeit für eine Singleauskopplung, was besagte Nummer auch ist. Leider ist die Nummer aber auch verdammt poppig und ziemlich soft. Auch musikalische finde ich den Song alles andere als gelungen und lediglich der sarkastische Text stimmt etwas versöhnlicher. Als Totalausfall würde ich den Song zwar nicht dezeichnen, aber er wirkt nach den ersten 4 Songs doch arg deplaziert.

Wesentlich erfreulicher gestaltet sich hingegen Silent Rain, die dritte und letzte Komposition aus der Feder von Sascha Gerstner. Die Nummer geht schön nach vorne und der von Andi Deris verfasste Text regt durchaus zum Nachdenken an. Der Track beschließt CD 1 dieser leicht gefakten Doppel-CD (dazu später mehr), die man trotz des Ausrutschers in Form von „Mrs. God“ als wirklich gut bezeichnen kann.

Wie schon der erste Silberling, so wird auch CD 2 von einem Longtrack eröffnet. Occasion Avenue stammt komplett aus der Feder von Sänger Andi Deris und lässt mich seinen kleinen Fehltritt (Mrs. God) fast wieder vergessen. Erwies sich „The King For A 1000 Years“ noch als recht traditioneller Longtrack, so zeigt man hier Mut zur Alternative und präsentiert dem Hörer eine moderne und sehr vielschichtige Komposition, die ohne lange Solo-Einlagen auskommt und mit einem phantastischen Chorus, der direkt im Ohr bleibt, glänzen kann. Ein weiteres wahres Highlight von „The Legacy“.

Auch der nächste Track wurde von Andi Deris verbrochen. Schon während seiner Zeit bei Pink Cream 69 erwies sich Deris als Fachmann für die ruhigen Töne, was er hier eindrucksvoll mit der Ballade Light The Universe unter Beweis stellt. Zu sanften Piano-Tönen singt Andi im Duett mit Candice Night, der Sängerin von Richtie Blackmores (früher Deep Purple und Rainbow) aktuellem Projekt „Blackmore’s Night“. Eine schöne und verträumte Nummer mit einem tollen Chorus. Ideal zum Verschnaufen nach dem einleitenden 11-Minüter.

Mit Do You Know What You're Fighting For? ist wieder die Zeit für Weiki gekommen. Leider hat mich der Track nicht so begeistert wie es die Weiki-Stücke sonst tun. Zwar geht auch der Chorus dieses Songs schnell ins Ohr doch irgendwie fehlt noch das letzte i-Tüpfelchen um die Nummer wirklich gut werden zu lassen. Sie geht für mich somit als solide durch.

Leider berappelt man sich auch mit dem nächsten Song Come Alive nicht völlig. Abermals hat hier Andi Deris für meinen Geschmack etwas daneben gegriffen. Zwar ist die Nummer nicht derart poppig wie „Mrs. God“, aber dennoch fehlt hier nicht nur der letzte Kick, sondern auch noch einiges mehr. Der Song klingt in meinen Ohren einfach unspektakulär und ziemlich „egal“. Naja … ein zweiter Fehltritt, der bisher noch zu verschmerzen ist.

Besserung ist dann zum Glück aber auch wieder in Sicht und zwar in Form von Shade In The Shadows. Andi Deris kann also doch immer noch dreieinhalbminütige Songs mit ordentlichem Chorus und guten Arrangements schreiben. Zwar ist der Song keine potentielle Hymne, aber dennoch ein Track, den man gerne mal hört.

Zum Ende hin legt man dann noch mal richtig los, den Weiki-Komposition Nummer 3, Get It Up ist ein waschechter Ohrwurm geworden, der in einem Atemzug mit Hits wie „Power“ oder „I Can“ genannt werden kann. Inhaltlich stellt der Text eine Art Hommage und Aufforderung an die Fans dar. Toller Song, aber das Ende ist noch nicht erreicht.

Dieses gestaltet sich dann nämlich noch einen Ticken besser. My Life For One More Day bringt es auf fast 7 Minuten und ist eine Gemeinschaftskomposition von Bassist Markus Grosskopf und Sänger Andi Deris. In den Strophen wird die Spannung schön aufgebaut und sie steigert sich durch die Bridge und den Pre-Chorus, bis sie sich schließlich im Chorus (der verdammt zum Mitgröhlen einlädt) entlädt. Obendrauf dann noch eine geile Soloanlage und fertig ist ein verdammt fetter Abschlussong eines wirklich sehr gelungenen Albums.

Fazit:
„Keeper Of The Seven Keys – The Legacy“ ist ein verdammt starkes Album geworden, dass für meinen Geschmack mit mindestens 5 potentiellen Klassikern um die Ecke kommt: „The King For A 1000 Years”, „The Invisible Man“, „Occasion Avenue“, „Get It Up” und „My Life For One More Day”. Zwar kann der „Rest“ des Albums nicht ganz bei diesen Kompositionen mithalten, aber dennoch kann man Songs der Marke „Born On Judgment Day“, „Silent Rain“ oder „Light The Universe“ immer wieder hören, ohne das sie sich abnutzen. Mit „Mrs. God“ und „Come Alive“ sind zwar auch kleine Ausfälle zu verzeichnen, doch diese 6 Minuten ziehen den ansonsten überwiegend positiven Gesamteindruck der fast 77:35 Minuten kaum nach unten. Moment mal … 77:35 Minuten? Wieso verteilt sich dieses Album denn dann auf 2 Silberlinge, wo ein Rohling heutzutage doch bis zu 79:55 fasst? Nun … die Erklärung liegt darin, dass Presswerke keine Garantie dafür übernehmen, dass CDs mit mehr als 77 Minuten Spielzeit problemlos auf allen Player abgespielt werden können. Daher entschied sich die Band dazu, dass Album als Doppel-CD zu veröffentlichen. Nach eigenen Angaben haben sogar Bandmitglied auf etwas Geld verzichtet, damit das Album trotz der 2 Silberlinge nur für einen Euro mehr als eine Einzel-CD über die Ladentheke wandert. Man scheint saich auch dran zu halten, denn bei Amazon verkauft man den Doppel-Decker für 14,98 und auch Karstadt (die eigentlich den Ruf einer Apotheke haben) verticken das gute Stück für 15,99. So … nun aber zurück zum eigentlichen Fazit: Das neue Album steckt für meine Begriffe völlig problemlos die drei letzten Helloween-Alben (Better Than Raw, The Dark Ride und Rabbit Don’t Come Easy), die alle bei weitem nicht schlecht waren, in die Tasche. Ist es nun benbürtig mit den „Original“-Keeper-Alben? Nun … das muss jeder für sich entscheiden. Ich persönlich denke nicht, dass es ebenbürtig oder gar besser ist, aber auf jeden Fall haben Helloween sehr eindrucksvoll bewiesen, dass auch über 20 Jahren noch mit ihnen zu rechnen ist und sie noch lange nicht zum alten Eisen gehören. Ich freue mich verdammt auch die anstehende World-Tour, die die Band im Dezember und Januar nach Köln und Bochum führen wird. Eines dieser Konzerte dürfte zum Pflichttermin werden.

© 04.11.05 by lord gösel

Link:
Offizielle Homepage


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Freitag, 4. November 2005, 22:53

verdammt :grins:


wäre der deris lieber mal bei pink cream 69 geblieben...
Eingeschränkter Winterdienst. Betreten auf eigene Gefahr!


Dieser Beitrag wird 155 mal editiert werden, das letzte Mal von Sledge_Hammer: 05.08.2012, 10:37.

joe adder

praktiziert MOVEMBER das ganze Jahr, jedes Jahr!

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Samstag, 5. November 2005, 01:01

Cool, habe letzten Samstag hier in ner Metalzeitschrift ueber Power Metal aus Deutschland gelesen, Schwerpunkt zum Teil Helloween. Da kommt mir ein Probehoeren gerade recht. Mal schauen, ob die CD auch hier in Australien veroeffentlicht wird. :hm:
"Warum sollte ich mich fürchten? Ich kenne keine Furcht."

Für meine Fotos auf EYEEM: The Art Of Daydreaming <== bitte hier klicken!

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Montag, 7. November 2005, 09:28

Cool... mit Helloween hat damals meine Heavy-Kutten-Zeit begonnen, aber nach "Pink Bubbles Go Ape" hab ich die Band dann aufgegeben. Seither hab ich mir nur noch "Blind Guardian" gekauft ;)

Sobald ich wieder Geld hab' werde ich den Jungs nochmal ne Chance geben.
[isbn]B000B8I990[/isbn]

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Montag, 7. November 2005, 15:24

Zitat

Original von Kabukichan
Cool... mit Helloween hat damals meine Heavy-Kutten-Zeit begonnen, aber nach "Pink Bubbles Go Ape" hab ich die Band dann aufgegeben. Seither hab ich mir nur noch "Blind Guardian" gekauft ;)

Sobald ich wieder Geld hab' werde ich den Jungs nochmal ne Chance geben.
[isbn]B000B8I990[/isbn]


Geht mir ebenso, "Future World" ist neben AC/DC wahrscheinlich mit Schuld, dass ich damals zum langhaarigen Bombenleger mutiert bin. Habe Helloween dann auch aus den Augen verloren,dass Kiske raus ist, habe ich irgendwie noch mitbekommen, die Geschichte mit Ingo Schwichtenberg war mir bis eben neu. Bei Gelegenheit werde ich mir das neue Teil aber mal geben, zumal ich letztens noch die Keeper II im Auto am dudeln hatte und nach wie vor für gut befinde.

BTW: Astreine Besprechung, vielen Dank an Lord Gösel! :up:

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Montag, 14. November 2005, 09:23

Erstmal noch nen Tipp: MediaMarkt hat die Doppel-CD für 11,99 € im Angebot...

und jetzt noch ne Frage: Kann es sein, dass der Sound extrem schlecht abgemischt wurde oder hab ich nur ne "Montags-CD" erwischt? Gerade bei sehr instrumentenlastigen Passagen wird der Klang sehr schwammig und der Sänger geht immer wieder in der Masse unter (kann allerdings auch am viel verwendeten Halleffekt liegen) :( Mal abgesehen davon ist es aber in der Tat ein gelungenes Album :up: