Es ist aber auch eine alternative These denkbar, warum Peter Folken die Einschubstelle für das ‚Mustang-Abeneteur' genau an dieser Stelle gewählt hat und nach der sich der Kuddelmuddel auflöst und stattdessen ein relativ stringenter Abfolge der Ereignisse ergibt. Die Lösung dazu ist nämlich überraschend einfach, wenn man ‚Winnetou I, 3. Folge' anstelle der Europa-Folgen in einen Zusammenhang mit den Peg-Versionen von ‚Winnetou I, 2. Folge' und ‚Winnetou II, 1.Folge' stellt. Hier nun stimmt die Nahtstelle, und wenn man die schon in den Europa-Folgen gepflegte Tradition Folkens berücksichtigt, nach der die jeweils letzte Szene der Vorfolge anfangs der nächsten Folge wiederholt wird, so ergibt sich in der Tat ein harmonischer Ablauf:
Winnetou I, 2. Folge: Begräbnis Intschu-tschuna & Nscho-tschi -> Nachbegräbnisrede Winnetous ->
Winnetou I, 3.Folge: Wiederholung: Nachbegräbnisrede Winnetous ->Ritt zum Lager der Kiowas -> Halbblut-Abenteuer -> Ankunft bei Lager der Kiowas -> Winnetou und Old Shatterhand trennen sich -> Rückblende Nscho-tschis letzte Worte ->
Winnetou II, 1 Folge: Winnetou und Old Shatterhand trennen sich ->
Ist Folkens Skript also ursprünglich für eine Peg-Produktion gedacht gewesen? Immerhin sprechen zwei Tatsachen nicht dagegen. Erstens gab es zum Zeitpunkt, als ‚Winnetou I, 3. Folge' erschien noch keine ‚Halbblut'-Aufnahme bei Peg. Und zweitens zeigt sich beim detaillierten Vergleich der Textskripte, daß Folken aus der ‚Winnetou I, 2. Folge'-Bearbeitung von Dagmar von Kurmin abgeschrieben haben muß, denn die Nachbegräbnisrede Winnetous vom Anfang der 3. Folge (und die in der 2. Folge der Europa-Serie fehlt) ist nahezu wörtlich (und etwas erweitert) von dieser 2. Peg-Folge übernommen worden, bei der später produzierten Auditon/Box-Version ist die Rede noch weiter modifiziert worden. Im folgenden Vergleich zwischen den verschiedene Europa-, der Peg und der Auditon/Box-Folge ist diese wortwörtlich übernommenen Textteile unterstrichen markiert.
Winnetou I, 2. Folge (Europa):
Old Shatterhand/Erzähler: (...) um sie herum fügten die Indianer Steine zu einer festen, hohlen Pyramide zusammen, aus deren Spitze der Baum emporragte. Dann wurde die Totenklage angestimmt. Sie tönte über die geschlossenen Gräber, bis sich die Nacht über die Savanne niedersenkte. Als der Tage graute, sattelten wir unsere Pferde und Winnetou gab den Befehl:
Winnetou: Wir werden das Dorf Tanguas aufsuchen, um dort den Tod Intschu-tschunas und meiner Schwester zu rächen. Vorwärts!
Winnetou I (Auditon/Box):
Old Shatterhand/Erzähler: (...) um sie herum fügten die Apatschen Steine zu einer festen, hohlen Pyramide zusammen, aus deren Spitze der Wipfel des Baumes ragte. Nun hob die Totenklage an. Sie tönte über die geschlossenen Gräber, bis sich die Nacht über die Savanne niedersenkte. Nach beendeten Ritual trat Winnetou zu mir, nicht mehr der trauernde Sohn und Bruder, nein, der junge, neue Häuptling der Apatschen. (kurze Musikpause)
Winnetou: Winnetou war beseelt vom Gedanken der Rache. Er war entschlossen, alle roten Völker zum Kampf gegen die Bleichgesichter aufzurufen. Doch er kam zur Erkenntnis, daß solches Denken sinnlos ist. Intschu-tschuna hat das Geschick meines Volkes in meine Hände gelegt, und Winnetou weiß, die Weißen würden immer neue Scharen gegen uns senden, würden nicht ruhen, bis auch der letzte rote Mann vernichtet wäre. Winnetou hat die Pflicht, sein Volk zu erhalten, er darf es nicht seiner eigenen Rache wegen opfern. Darum wird seine Rache einzig dem Mörder Santer gelten. Wir werden jetzt zum Dorf der Kiowas reiten. Dort trennen wir uns, denn mein Bruder muß sich um Sam Hawkens kümmern, während Winnetou Santer zu Rechenschaft ziehen wird. Der Fuß des Mörders soll den Boden des Nugget-tsil nie wieder berühren. Howgh!
Winnetou I, 2. Folge (Neue Mode/Peg):
Old Shatterhand/Erzähler: (...) und wir errichteten aus Steinen eine hohle, feste Pyramide um sie, aus deren Spitze der Gipfel des Baumes ragte. (Gitarrenakkord) Als alles vorüber war und Winnetou nicht mehr der trauernde Sohn und Bruder sein durfte, sondern nur noch der neue, große Häuptling der Apatschen, sagte er zu mir:
Winnetou: Die Rache hatte Winnetou den Gedanken eingegeben, alle roten Völker zum Kampf gegen die Bleichgesichter aufzurufen. Doch während er bei seinen Toten wachte, fand er wieder zu sich selbst. Intschu-tschuna, der große Häuptling der Apatschen, hat nun das Geschick unseres Volkes in die Hände seines Sohnes Winnetou gelegt. Und Winnetou weiß jetzt, auch wenn die roten Krieger aus den ersten Schlachten als Sieger hervorgingen, die Weißen würden immer neue Scharen gegen uns senden, bis auch der letzte rote Mann vernichtet wäre. Winnetou aber hat die Pflicht, sein Volk zu erhalten und darf es nicht um der eigenen Rache willen opfern. Er will darum jenen Plan fallen lassen und den Mörder allein bestrafen. Er wird jetzt mit seinem Bruder Old Shatterhand zum Lager der Kiowas reiten und sich Santer herausholen, denn den Boden des Nugget-tsil soll der Fuß dieses Mannes nie wieder berühren. Howgh!
Winnetou I, 3. Folge (Europa):
Old Shatterhand/Erzähler: Über Intschu-tschuna und Nscho-tschi schlossen ich die Grabhügel. Die Totenklage der Apatschen verhallte zwischen den Bergen, ein sanfter Wind strich über die Höhen des Nugget-tsil. Winnetou stand wie in Stein gehauen, sein Gesicht zur Maske erstarrt. Nur das Zucken seiner Mundwinkel verriet Erregung. Endlich löst er den Blick von den Gräbern, wandte sich mir zu, doch jetzt nicht mehr als der trauernde Sohn und Bruder der Toten, sondern als der neue, große Häuptling der Apatschen.
Winnetou: Die Rache hatte Winnetou den Gedanken eingegeben, alle roten Völker zum Kampf gegen die Bleichgesichter aufzurufen. Der Mississippi mit allen seinen Nebenflüßen sollte das Blut der weißen und roten Völker zum Meer führen. Doch während Winnetou bei seinen Toten wachte, fand er wieder zu sich selbst. Intschu-tschuna, der große Häuptling der Apatschen, hat nun das Geschick unseres Volkes in die Hände seines Sohnes Winnetou gelegt. Und Winnetou weiß jetzt, auch wenn die roten Krieger aus den ersten Schlachten als Sieger hervorgingen, die Weißen würden immer neue Scharen gegen uns senden, bis auch der letzte rote Mann vernichtet wäre. Winnetou aber hat die Pflicht, sein Volk zu erhalten und darf es nicht um der eigenen Rache willen opfern. Er will daru keinen Krieg der Rache entfesseln, sondern einzig den Mörder bestrafen. Er wird jetzt mit seinem Bruder Old Shatterhand zum Lager der Kiowas reiten und sich Santer, den Mörder Intschu-tschunas und Nscho-tschis, holen, denn den Boden des Nugget-tsil soll der Fuß dieses Mannes nie wieder berühren. Howgh!
Um zu zeigen, daß Peter Folken die Rede von Winnetou in diesem Wortlaut nicht etwa aus Mays Roman übernommen haben konnte, sei nun die entsprechenden Auszüge aus dem Buch (in der als Vorlage dienenden Fassung des Karl-May-Verlags-Fassung, © 1962) zitiert, wobei deutlich wird, daß nur wenige Wörter und Phrasen - wiederum unterstrichen markiert - wörtlich übernommen worden sind:
Die Rache gab mir einen großen, kühnen Gedanken ein. Ich wollte die Krieger aller roten Völker zusammenrufen und mit ihnen gegen die Bleichgesichter ziehen. Wahrscheinlich wäre ich besiegt worden. Aber in dem Kampf gegen mich selber heute in der Nacht bin ich Sieger geblieben. (...) wenn wir aus allen Kämpfen als Sieger hervorgingen, so sind der Bleichgesichter doch so viele, daß sie immer neue Scharen gegen uns senden könnten, während es uns unmöglich wäre, unsere Verluste zu ersetzen. Die Siege würden ebenso aufreiben wie eine Niederlage geschlagen würden. Das habe ich mir gesagt, als ich während der Nacht bei meinen Toten saß, und so habe ich den Entschluß gefaßt, auf die Ausführung meines Planes zu verzichten. Ich wollte mich damit begnügen, den Mörder zu fangen und mich an denen zu rächen, welche ihm Hilfe geleistet haben und nun mit ihm nahmen, uns zu überfallen. Aber auch dies hat mir mein Bruder Scharlih ausgeredet. Meine Rache soll nur darin bestehen, daß ich Santer festnehme und ihn bestrafe. Die Kiowas lassen wir laufen.
Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »Thosch« (9. Mai 2005, 13:14)