Schwäbisch Hall/Berlin (dpa/gms) - Liebesbeziehungen am Arbeitsplatz sollten offen gelegt werden. Das rät Gunter König, Diplom-Psychologe und Coach in Schwäbisch Hall mit Blick auf die Entlassung des Boeing-Chefs Harry Stonecipher.
Diesem war wegen seinem Verhältnis mit einer Führungskraft gekündigt worden. Durch Offenlegung können die Partner vermeiden, unter Druck zu geraten. "Außerdem kostet es zu viel Energie, eine Beziehung im Betrieb zu vertuschen".
Beziehungen am Arbeitsplatz sind in den USA ein Tabuthema, weil die Unternehmen Prozesse und Schadensersatzforderungen wegen sexueller Belästigung fürchten. "Die Sache mit Stonecipher ist eine typisch amerikanische Geschichte, in Deutschland wird das viel lockerer gesehen", sagt Meike Müller, Kommunikationstrainerin und Buchautorin in Berlin. Einige Unternehmen würden sogar gezielt Paare einstellen und in verschiedenen Abteilungen einsetzen, um den internen Kommunikationsfluss zu verbessern.
"Gut funktionierende Teams bringen bessere Leistungen", bestätigt König. Trotzdem müssten verliebte Kollegen mit Tratsch rechnen, wenn sie ihre Beziehung öffentlich machen. In der Regel reagierten Männer nachsichtiger auf Liebeleien in den Reihen der Kollegen als Frauen. Entscheidend ist immer das Betriebsklima: "Wo eh schon viel getuschelt wird, kommt auch schnell Neid auf."
Einen Sonderfall stellen Beziehungen mit hierarchischem Gefälle dar: "Wenn ich beispielsweise als Sachbearbeiterin mit dem Abteilungsleiter zusammen bin, darf ich nicht plötzlich eine Sonderrolle einnehmen und nicht mehr mit den Kollegen in die Kantine gehen", rät Müller. Ebenso sollte sich der untergebene Partner nicht von anderen Kollegen "vor den Karren spannen lassen", weil er jetzt ja gute Beziehungen nach oben habe.
"Das "ungleiche" Paar sollte auch den Weg zum Chef nicht scheuen, um Klarheit zu schaffen", empfiehlt Müller. Gerade für den Abteilungsleiter, der vielleicht auch Geheimnisträger sei, gelte es klarzustellen, dass trotz der neuen Partnerschaft auch weiterhin mit seiner Verschwiegenheit gerechnet werden kann. "Mit dem Gang zum Chef sollte man sich aber drei bis vier Monate Zeit lassen, eben so lange, bis klar ist, dass aus dem Verliebtsein eine echte Liebesbeziehung geworden ist."
Ein optionaler Schritt für ein Paar könnte es dann sein, dass ein Partner zukünftig in einer anderen Abteilung arbeitet. "So entsteht der Eindruck, ich zöge jemanden vor, erst gar nicht", sagt König. Umgekehrt entlaste diese Maßnahme auch die Partnerschaft, weil dort Bevorzugung naturgemäß erwartet würde.
Am kompliziertesten sind Fälle, in denen einer oder beide Kollegen, die sich ineinander verlieben, verheiratet sind. "In gewissen Positionen und in gewissen Regionen wird eine funktionierende Ehe einfach vorausgesetzt", erläutert Müller.
Da aber 80 Prozent der verheimlichten Affären am Ende doch ans Licht kämen, sei es besser vor einer neuen Beziehung klare Verhältnisse zu schaffen. Daran änderten auch Absprachen mit dem Ehepartner über eine private Trennung aber öffentliche Aufrechterhaltung der Ehe nichts. "Am Ende steht dann der neue Partner oder die neue Partnerin im Unternehmen als der oder die Böse am Pranger."
Ich habe da ja meine ganz eigene Meinung zu. Letztendlich sollen andere natürlich machen was sie wollen, aber ich hätte es nicht so
gerne meine Frau bei mir in der Firma zu haben.
Nehmen wir doch nur mal an, ich würde mitbekommen, wie ein
anderer Kollege meine Frau zur Schnecke macht und ich bekomme
das mit. Selbst wenn es gerechtfertigt wäre, würde ich es dem
Kollegen (den ich vieleicht eigentlich sogar sehr schätze) warscheinlich
sogar persönlich nehmen. Daraus kann dann natürlich unnötigerweise
eine Spannung aufgebaut werden, die widerrum geschäftsschädigende
Ausmaße zur Folge haben könnte.
Fazit: Würde für mich nie in Frage kommen.