In diesem Thread soll´s um das Kasperle-Hörspiel "Der Zauberer und die tote Maus" gehen. Erschienen ist es auf der A-Seite der LP "Kasperle im Land von König Hampelmann" (Label Peggy, 1974).
Inhalt:
Kasperle, Seppl und die Großmutter besuchen das Königreich von König Hampelmann und seinem Sohn Prinz Rappelkopf.
Dort hat man große Sorgen mit einem bösen Zauberer, der droht, das Königreich zu vernichten, wenn er nicht den Goldschatz des Königs ausgeliefert bekommt.
Der König möchte mit Truppen den Zauberer vertreiben, und Kasperle ist von dieser Idee sofort begeistert, denn er möchte mal wieder seinen Prügel ausprobieren. Doch Prinz Rappelkopf denkt modern: Die Prügelstrafe ist abgeschafft, sagt er. Und zuerst müsse man Friedensverhandlungen führen.
Also setzt sich eine Delegation aus Prinz, Polizist, Kasperle und Seppl in Bewegung zum Zauberer. Der erklärt sich auch wirklich zu Verhandlungen bereit - auf seine Weise. Er fordert den Goldschatz, sonst, droht er, schickt er morgen seine Geister aus, die das ganze Reich zerstören werden. "Ein wunderbares Ergebnis", findet Prinz Rappelkopf, ganz im Gegensatz zu Kasperle: "Welche Friedensgarantie hat denn der Zauberer gegeben?" fragt er. "Aber sowas muss man doch zwischen den Zeilen lesen, das ist Diplomatie!" sagt der Prinz und schickt den Polizisten los, den König zu überreden, den Goldschatz herauszurücken.
Kasperle sucht derweil die Hexe auf und entlockt ihr das Geheimnis, dass der Zauberer sich panisch vor toten Mäusen fürchtet. Und im letzten Moment, als der Zauberer den Schatz schon beinahe in seinen Krallen hat, ist Kasperle mit einer toten Maus zur Stelle und schlägt den Zauberer in die Flucht...
Kommentar:
Das Hörspiel ist witzig gemacht. Gerd von Hassler brilliert in den Rollen Kasperle, Seppel, König und Zauberer. Heinz Fabian übernimmt den wie üblich flachdenkenden Polizisten und den naiven Prinz Rappelkopf. Ursula Graeff ist als Großmutter und leicht zu überrumpelnde Hexe zu hören.
Schlüsselfigur dieser Geschichte ist Prinz Rappelkopf. Er vertritt selbstbewusst eigene Ansichten (keine Prügelstrafe, Friedensverhandlungen vor Krieg) und hält sich für einen klugen Diplomaten. Aber mit seiner leichtsinnigen Bereitschaft, den Staatsschatz herzugeben, bringt er das Königreich seines Vaters an den Rand des Ruins. Nur Kasperle kann den Schatz und damit das Königreich im letzten Moment retten.
Wer will, kann die Geschichte durchaus als Anspielung auf damals (1974) aktuelle politische Vorgänge verstehen. Die damalige SPD/FDP-Bundesregierung (mit den Kanzlern Brandt und Schmidt) verfolgte eine Entspannungspolitik gegenüber den kommunistisch regierten osteuropäischen Ländern. Sie schloss die Ostverträge ab und machte dabei auch einige Zugeständnisse. Zum Beispiel wurde mit Polen ein Verzicht der Bundesrepublik auf frühere ostdeutsche Gebiete vereinbart. Die damalige CDU/CSU-Opposition wetterte gegen diese Politik mit der Argumentation, dass man eigene Pfründe preisgebe, ohne eine entsprechende Gegenleistung zu erhalten.
Wenn man nun bedenkt, das Gerd von Hassler CDU-Mitglied war, kann man sich einiges zusammen reimen. Prinz Rappelkopf sollte vielleicht stellvertretend stehen für die damalige Regierungspolitik. Er ist bereit, den Staatschatz zu opfern, ohne dafür eine Friedensgarantie des Zauberers zu erhalten, was natürlich äußerst leichtsinnig ist.
Ich habe dieses Hörspiel erst als Erwachsener kennen gelernt. Ob es mich als Kind irgendwie "politisch" beeinflusst hätte, kann ich also nicht sagen. Aber ich möchte mit meiner eigenen Meinung auch nicht hinter´m Berg halten:
Ich meine, dass die damalige Entspannungspolitik richtig war. Nach ihrer Regierungsübernahme 1982 ist ja auch die CDU/CSU auf diesen Kurs eingeschwenkt
. Ich teile also Herrn von Hasslers Meinung nicht.
Auch finde ich es ein wenig bedenklich, wenn hier die Forderung nach Friedensverhandlungen und moderne Ansichten (Prinz Rappelkopf verkündet an anderer Stelle auch stolz, dass das Königreich modern sei, weil die Frauen dort jeden Beruf ergreifen können - auch die Frauenbewegung kam Anfang der 70er Jahre allmählich auf) pauschal dadurch lächerlich gemacht werden, dass sie einem Tölpel wie dem Prinzen in den Mund gelegt werden...
Trotzdem finde ich dieses Hörspiel wegen seines Wortwitzes und der guten Stimmung wunderbar und kann es nur weiterempfehlen!
Grüße!