Ja, ... ich gebe es zu!
Ich habe Angst vorm Zahnarzt.
Ausgerechnet ich! Ich, der sonst eigentlich vor nix und niemand Angst hat, ist dann der Typ, der mit einem Herzschlag wie ein Kolibri, mit Kuschelente unterm Arm und Luftballon in der Hand die Praxis aufsuchen muss.
Wie ich ausgerechnet jetzt drauf komme, fragt ihr?
Tja, ... aus gegebener Veranlassung. Bei mir hat sich nämlich am Samstag Mittag während der Autofahrt plötzlich und noch dazu völlig unerwartet eine komplette Füllung beachtlicher Größe verabschiedet. "Klonk!"
- Einfach so kullerte das Ding in meinem Mund herum. Dieses Geräusch ist einfach der Hammer! Ich glaube, ein plötzlicher Pistolenschuss ist nicht annähernd damit zu vergleichen. Man denkt gleich, dass sich so ziemlich das komplette Gebiss verabschiedet hat. Zumindest kommt es mir so vor. Vielleicht kommt es aber generell Leuten so vor, die Angst vor dem Zahnarzt haben? Ich weiss es nicht so genau. Bei mir gesellt sich in solchen oder vergleichbaren Situationen auch immer ein Hitzeschub verbunden mit Spontanschweißausbruch dazu.
Nach dem "Klonk!" wurde natürlich mittels Zunge sofort versucht, den Schaden zu lokaisieren. Bereits anhand der Größe der Füllung konnte ich beurteilen, dass die Reparatur recht aufwendig werden würde. Die Zunge teilte mir dann "Backenzahn unten links. Der letzte vor dem Weisheitszahn" mit.
Scheisse! Und natürlich am Wochenende. Wann denn sonst? Noch schlechter ist eigentlich nur noch Heiligabend, wenn der gerade auf einen Mittwoch fällt. - Die Wahrscheinlichkeit, dass der eigene Zahnarzt gerade Notdienst hat ist da ja eher unwahrscheinlich. Dann kommt also die Entscheidung hinzu, ob man nun sofort zu einem anderen Zahnarzt geht oder ob die Angelegenheit einen Aufschub zulässt.
Da ich keinerlei Schmerzen verspürte und sich auch "dieses komische Ziehen" nicht einstellte, entschied ich für mich: Aufschub bis Montag!
Aber der Montag kam unerwartet schnell. Ich habe schon schlecht geschlafen. Morgens habe ich dann gleich auf der Arbeit angerufen und mich vorsichthalber krank gemeldet. Hab auch erzählt, was los ist (da hat man gleich den Mitleidsbonus
). In meinem Zustand wäre ich ohnehin nicht fähig gewesen, meiner Arbeit angemessen nachzukommen, weil ich mich ja mental aufs Schafott vorbereiten musste. Natürlich war mein Plan, gleich früh hin und dann zur Arbeit, falls die Schmerzlage zulässt.
Der Plan ging aber nicht auf. Zwar war ich bereits um Punkt 8 in der Praxis, aber mir wurde mitgeteilt, dass ich erst um 12..00 h dran käme oder sonst um 17:30 h. Schon wieder blitzte das Wörtchen "Aufschub" durch meinen Kopf... Allerdings entschied ich mich für High noon (!) und trabte von dannen.
Jetzt hiess es warten. Lange warten. Unendlich lange warten. Das Loch im Zahn wurde in dieser Zeit immer größer und mutierte letztlich dazu, dass der komplette Zahn ausgegraben werden muss. Natürlich nicht in der Praxis sondern in einer Spezialklinik für Kieferchirurgie. Ist schon enorm albern, auf was man so kommt.
Um 12:00 h war ich dann wieder sichtlich nervös in der Praxis und meldete ich am Tresen. Dort hätten seine Mädels sogar schon meine Patientenakte parat glegt. Das ist die, mit dem kleinen roten Aufkleber. Auf dem roten Aufkleber prangt ein "A" (A=Angst). Ich habe vor ein paar Jahren mal den Änderungsvorschlag auf "NE" für "nacktes Entsetzen" gemacht. Aber insgesamt scheint mein Zahnarzt auf männlich Angstpatienten spezialisiert zu sein, denn der beschäftigt da echt Wahnsinnsbräute. Sowas trifft man auf der Straße nicht. Außer vielleicht in L.A.
Ich brauchte dann auch nur noch ganz kurz warten und habe, nachdem ich ins Behandlungszimmer trat meinem Zahnarzt das Problem in kurzen Worten geschildert und er wollte sich dann doch tatsächlich noch selbst ein Bild machen, obwohl doch schon alles gesagt war. Blöd ist beim Zahnarzt halt auch, dass, wenn der erstmal nur gucken will, immer gleich mit seinem fiesen Haken guckt.
Der Doc hat dann mit seinem Haken in der Backenzahnruine "geguckt" und gefragt, obs weh tut, was jedoch von mir (glücklicherweise) verneint werden konnte. Dann hat er mit der anderen Seite des Hakens geklopft und wieder gefragt, obs weh tut. Meine Antwort: "Nö!". Aber der Mann ist gründlich und holt seinen Puster raus und bläst nun kalte Luft in den Zahn. Natürlich wieder mit der Frage verbunden, obs weh tun würde, was noch immer von mir verneint wurde (fast hatte ich schon der Eindruck, der macht das so lange, bis irgenwas weh tut). Dann hat er noch ein Wattekügelchen mit einer Kältetinktur getränkt und mir in den Zahn geschoben. Wieder kein Schmerz! Also hat er das Teil nun ordentlich reingedrück... Und auf einmal:
"AAAAAAaaaaahhhhhhh!" Schmerz! Er hats tatsächlich geschafft. Und dann sagt er doch glatt, dass wäre gut. Woraufhin ich eigentlich nur murmeln konnte, dass das sicher Ansichtssache sei. Er meinte mit "gut" allerdings nur, dass der Zahn noch lebte.
Er sagt mir also, dass das keine große Sache wäre (aus dem Mund des Zahnarztes klingt sowas echt lässig) und das Loch geflickt werden könne. Zwar war ich erleichert, dass der Zahn nicht gezogen werden musste, aber dennoch rutschte mir die total bekloppte Frage heraus: "Jetzt? Jetzt gleich?" Worauf er mit einem Schmunzeln antwortete: "Natürlich jetzt gleich... Es sei denn Sie wären jetzt nur zum Zeigen gekommen. Dann machen wir halt einen neuen Termin und machen da dann!". Der Mann ist echt lustig und hat es tatsächlich geschafft, mich trotz meiner widrigen Lage zum Lachen zu bringen. Er sagte dann, dass er es für sinnvoll halten würde, mit einer Betäubungsspritze zu arbeiten und ich bin einer, der da nicht nein sagt. Also gabs ne Spritze. Das tat auch erstmal nicht weh. Aber auf einmal durchzuckte mich dann sowas wie eine Art Stromschlag, während er spritzte. Da hat er (gewollt) den Zungennerv getroffen, wie ermir hinterher sagte.
Dann durfte ich 10 Min. warten bis die Spritze wirkt. Mein Doc holte dann gleich flott der Bohrer raus, hielt aber bereits nach wenigen Augenblicken inne, da ihm mein Gezucke und Gejammer nicht entgangen war, und fragte, etwas ungläubig, ob ich noch etwas spüren würde. "Jaaahaaa!" sag ich. Und nicht nur etwas, sondern ich spür´ ganz ordentlich was. Daraufhin lässt sich eine weitere Spritze mit einem stärkeren Betäubungsmittel reichen und jagd mir die auch noch rein. Hab aber nix gemerkt. War ja vorher schon ordentlich taub! Und ich musste wieder warten...
Aber dann gings rund. Ruckzuck und schmerzfrei rotierten die unterschiedlichen Bohrer in meinem Mund und ich war sogar in der Lage, eine Feststellung zu armlehnenfreien Zahnarztstühlen bzw. deren Vorteilen bzgl. der Ablenkung von Angstpatienten zu machen. Nämlich: Ohne Armlehne liegen die Brüste der Assistentin auf dem Arm und der Schulter des Patienten. Das lenkt ein wenig ab!
Geschmälert wird dieses Gefühl jedoch dadurch, dass die Assistentin div. Schläuche und Sauger in deinen Mund hält.
Als er mit dem Zahn fertig ist, "guckt" der Doc natürlich auch die anderen Zähne nach
. Wo man schon mal da ist. Und merke: Ein guter Zahnarzt findet immer noch etwas. Dass machen wir dann am 03.11.
Aber ich weiss jetzt schon, dass ich die Kuschelente für November wieder rausholen muss. Eigentlich total albern, denn eigentlich war es so schlimm nicht... Aber hinterher geht einem das ganz leicht über die Lippen.
Ich muss jetzt nur noch warten, bis die Megabetäubung abgeklungen ist, damit ich endlich wieder was essen kann. Ich hab nämlich tierisch Kohldampf!