Francisca Ricinski - "Auf silikonweichen Pfoten"
Bestechend in ihrer Andersartigkeit und von hohem ästhetischem Reiz sind die kurzen Geschichten und poetischen Splitter in dem Band »Auf silikonweichen Pfoten«. Erzählungsbände fordern vom Leser mehr Konzentration als Romane: immer neue Namen, immer neue Konflikte. Auf den ersten Blick wirken diese Texte wie kleine Knäuel. Die Gedanken und Sätze laufen hier in verschiedene Richtungen, scheinen weder Anfang noch Ende zu haben. Das alles ist mehr als erträglich, weil Francisca Ricinski dafür eine Sprache hat, die sich auf nichts ausschließlich einlässt, sondern immer mit Augenzwinkern erzählt. Bisweilen machen ihre Sätze Faxen, springen von hier nach dort, wieder zurück und auch mal absichtsvoll daneben. Über feine Wortschleifen und Bedeutungsverschiebungen verschlingt diese Rede sich immerzu neu – und läuft doch voran. Ein wundersames Buch.
A.J. Weigoni - "Dichterloh" - LYRIKEDITION 2000, München
Als Denkfallensteller im Namen der Poesie bringt er seine desillusionierende Poesie mit allegorischer Schärfe zum Ausdruck. Seine Gedichte sind ein Speicher an Erlebtem und Gelesenem. Weigoni bringt das Verstreute in Zusammenhänge. Und dieses Wissen ist in jeder Zeile anwesend. Seine Poeme sind ein Strom von klaren, auch vertrauten Wörtern, assoziativ verbunden, sie werden zu geschichteten Bildern. Diese "Gedichte" haben als Experimentierfeld des Geistes eine analytische Genauigkeit, die man sonst eher in Essays findet; diese Poesie ist ein Akt des Denkens. Es ist diese leichthändige Souveränität, die Freude am Gedankenspiel, die dem Hörer Vergnügen bereitet; ein gelungener Beweis dafür, daß Denken Spaß machen kann. Philosophie und Poesie treten in eine fruchtbare Konstellation, wenn die eine nicht versucht auszusprechen, was die andere ohnehin sagt. Weigonis Poeme sind nicht alles, was der Fall ist und wir erkennen können, vielleicht sind sie reicher als das, was wir erahnen können. Diese Poesie steht auf grundsätzliche Weise offen; jede Bestimmtheit, die ihr abgewonnen wird, bringt eine neue Unbestimmtheit mit sich. Für diesen Lyriker fallen mithin die Grenzen der Sprache mit den Grenzen der Welt nicht zusammen.
»shop 'til you drop« von Julietta Fix
In ihrem Lyrik-Band »shop 'til you drop« zeigt sich die Herausgeberin als Alltagslyrikerin im besten Sinne. Ihre Gegenwartslyrik fokussiert das Detail, sucht das Ungewöhnliche in den kleinen Dingen, so in „kleider machen häute“. Immer skurriler wird das Leben betrachtet, doch Julietta Fix schafft es, den Alltag ganz authentisch darzustellen. Diese Lyrik handelt vom Vollkommenen, indem die Autorin vom Vorhandenen aufs Vollkommene hochrechnet, Luxus ist die Grundlagenforschung ihrer Lebenskunst. Zeiten und Orte wechseln von Gedicht zu Gedicht, Konstellationen und gesellschaftliche Zusammenhänge scheinen auf wie Panoramen, in denen sich Regungen, Gefühle, Seelenverwandtschaften spiegeln. Es sind kurze Einblicke, die uns die Autorin offeriert, Zeitfenster, hinter denen auch Skizzenhaftes zu erkennen ist. Die Autorin besitzt die seltene Gabe der präzisen Phantasie: Bei Texten wie „Frau Lehmann“ fabuliert sie zuweilen. Aber stets gewinnt man den Eindruck, dass es gerade so gewesen sein könnte. Julietta Fix ist belesen, manchmal hintergründig, auch listig; so entsteht ein Tableau, in dem sich Leben und Poesie verbinden. Sie vermag in ein paar Zeilen die Ungeduld der Liebenden in eine Ungeduld eines Gedichts zu verwandeln. Literatur ist kein Schönheitswettbewerb, man muß naiv sein, wenn man nicht begreift, dass ein Schriftsteller auch ein Schauspieler ist, der jenes Stück aufführt, das er am besten kann - besonders dann, wenn er die Maske des Ich-Erzählers aufsetzt. Die Macht der Literatur erwächst aus der Autorität und Kühnheit, mit der diese Verwandlung von der empirischen Person in die Fiktive gelingt. Der autobiografische Anschein ihrer Lyrik oder: die Intensivierung der Fiktion, sie seien autobiografisch, ist für Julietta Fix der innerste Kern ihrer ästhetischen Logistik, ihre Leser während der Lektüre ganz in Beschlag zu nehmen und zwar auf eine Weise, wie es anderen Schriftstellerinnen nicht gelingt. Ihre Gedichte zeigen Ähnlichkeiten mit der Neuen Innerlichkeit der 1970-er Jahre und sind auf der Höhe ihrer herausragenden Schreiber Nicolas Born und Jürgen Theobaldy.
Matthias Hagedorn
In der Bedeutung des Lehnworts aus dem Französischen, wo der "amateur d' art" den kenntnisreichen, enthusiastischen Liebhaber der Künste meint, bin ich ein Dilettant.
Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »Matze« (21. März 2008, 18:09)