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Matze

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Sonntag, 1. Oktober 2006, 13:10

LiteraturClips XV mit »Zur Sprache bringen«

Am 8. Oktober präsentiert Refardeon auf drumheads.de ab 14.00 das O-Ton-Hörspiel »Zur Sprache bringen«.

Als Rollstuhlfahrer habe ich das Glück, in A.J. Weigoni einen Betreuer zu haben, der mich überfordert. Da Weigoni die "Drecksarbeit" für mich erledigt, unterstütze ich ihn auf diese Weise. Ich beneide Menschen, die waidgerecht eine Metapher ausnehmen, eine Figur in einem Satz festnageln, sich an Geopolitik oder Neurochemie wagen können, ohne dass ihnen dabei der Schweiß auf der Stirn steht. Ich beneide sie um das Gefühl für die Richtigkeit ihres Tuns.

Wenn ich beobachte, wie sich jemand bückt, um einem anderen zu helfen, glaube ich, dass er die Arbeit aller tut, den menschlichen Job. Ich bewundere diese Menschen, aber ich beneide sie nicht. Heidegger hat auf die etymologische Verwandtschaft von Denken und Danken hingewiesen. Es freut mich, dass ich A.J. Weigoni als Lektor weiterhelfen kann und bei »Zur Sprache bringen...« „fachlich“ unterstützen konnte. In diesem Hör–Spiel–Projekt geht es um verschiedene Arten, ins Gespräch zu kommen. Die Lust an der gesprochenen Sprache, an der Schönheit von Worten: Tonfall, Melodie und Rhythmus. Rhythmisch, lautmalerisch und konsonantenreich machen die Bewohner des Benninghofs Sprache als Geschichte sichtbar, als ihre Geschichte.

Die "Menschen mit Möglichkeiten" verfügen über ein individuelles Repertoire, das einer besonderen, einfühlsamen Begleitung und Förderung bedarf. Diese Kreativen verfeinern übend, erforschend ihren Umgang mit den Mitteln Artikulation und Musik. In ihrer überwältigenden Mehrheit strahlen die Bewohner des Benninghofs eine lebensbejahende spielerische Fröhlichkeit aus, eine enorme Vielfalt, Erfindungsreichtum und erfrischende Unbekümmertheit.

In diesem Hörspiel kommt ein Prozess des Zerfalls der Bilder in Gang, an dessen Ende eine hochartifizielle Unschärfe und die Entdeckung einer Schönheit steht, wie man sie von den Gemälden Gerhard Richters her kennt. In den allzu groß geratenden Gesten der Behinderten hakt die Verzweiflung über die Allgegenwart technisch–zurichtender Weltbemächtigung ein, die der Vergänglichkeit und Vergeblichkeit längst schon keinen Platz mehr lässt. Diese Collage ist ein Platz für Geschichten außerhalb normierter Sprachregularien, ein Oszillieren zwischen Eigenart und Eigensinn. Man muss diese Menschen lieben, um in das eigentümliche Wesen jedes Einzelnen einzudringen, es darf einem keiner zu gering, keiner zu hässlich sein, erst dann kann man sie verstehen.

Es geht nicht darum, auf der Armseligkeit der Menschen rumzutrampeln und sich über sie lustig zu machen. Sondern eher darum, das wahre Leben abzubilden und zu zeigen, welche liebenswürdigen, tragikomischen Seiten das so genannte einfache Leben haben kann. Die Bewohner des Benninghofs sind interessant, weil sie anders sind als man selbst oder die Menschen, mit denen man zu tun hat. Und in ihrer Andersheit sind sie den "Normalen" in manchem doch gleich. Das verbindet.

Die O-Ton-Collage mit Bewohnern des Benninghofs zeigt einen Einblick in den Alltag behinderter Menschen. Diese "Menschen mit Möglichkeiten" versuchen den schweren Dingen Leichtigkeit zu geben und die Wortfolge: Selbstbestimmung, Assistenz und Integration – mit Inhalt zu füllen, ohne dass der Zuhörer auf den Spaß verzichten muss. Und dieser Spaß geht nicht etwa auf Kosten der behinderten Menschen, sondern transportiert sich mit ihrer Hilfe.

Matthias Hagedorn

»Zur Sprache bringen...« ist erhältlich über: info@tonstudio-an-der-ruhr.de
In der Bedeutung des Lehnworts aus dem Französischen, wo der "amateur d' art" den kenntnisreichen, enthusiastischen Liebhaber der Künste meint, bin ich ein Dilettant.