Ludwig Hirsch, Dunkelgrau-Tournee, Mainz, ca. 1998
Ein Mann mit Begleitmusiker sitzt auf der Bühne, bringt seine Geschichte vom "großen schwarzen Vogel" und das Publikum ist für sechs Minuten so still, daß man ein paar Stecknadeln fallen hören könnte. An der einen oder anderen Stelle fängt jemand an zu weinen und man spürt, wie in den Hälsen im näheren Umfeld Klöße wachsen. Und nach dem Lied noch zehn Sekunden absolute Stille, in der die Gitarre ruhig ausklingt, ehe das Publikum wieder in die Wirklichkeit zurückfindet. Großes Kino. Es gibt viele bombastische Konzerterlebnisse, die ich jederzeit gegen diese sechs Minuten eintauschen würde.
Jean Michel Jarre, Waldbühne/Berlin, 1994
Der Mann, der des Showeffekts wegen Häuser in Brand steckt oder Wolkenkratzer in Leinen einhüllt, um sie als Projektionsfläche zu nutzen. Der Mann, für den ganze Stadtteile von Houston abgesperrt werden mußten, um dort Feuerwerkskörper zu installieren (1,2 Mio Zuschauer bei einem einzigen Konzert), der in Lyon ein Konzert für den Papst gab (ca. 700.000 Zuschauer bei einem einzigen Konzert). Das erste Konzert auf deutschem Boden in seiner Karriere, und ich hab's mir nicht nehmen lassen, dabei zu sein Größenwahnsinn, der mit weniger Platz als gewöhnlich auskommen mußte ... aber immer noch irre beeindruckend, was er sich so einfallen läßt.
Status Quo, Offenbach, ca. 1993
War 'ne bessere Sporthalle mit Scheiß-Anlage und älterem Publikum (gemessen an mir). Leck - mich - am - Arsch, was 'ne Stimmung. Hauen die mit Pfeffer einen Hit nach dem anderen raus, daß man denken könnte, die wollen Wembley rocken. Das Publikum springt fleißig im Takt - und ich zwangsläufig mit, weil der Boden unter mir mitschwang Das erste Mal, daß ich bei einem Konzert wirklich Angst bekommen habe. Trotzdem - ein absolut fantastischer Abend.
Peter Gabriel, Up-Tour, Oberhausen, 2004
Wenn jemand weiß, wie er sein Publikum überrasschen und die Wirkung einzelner Lieder verstärken kann, ist es Peter Gabriel. Ein absolut ruhiger, aber liebenswerter Showman, der schon gerne mal kopfunter an der Decke entlang läuft oder zu "Solsbury Hill" auf dem Fahrrad über die Bühne kurvt. Kreativität deluxe, kommt man manchmal aus dem Staunen nicht heraus, was ihm alles einfällt - und was man auf der Bühne umsetzen kann.
Georg Kreisler, Abschiedstournee, Mainz, 2001
Es war bekannt, daß er sich von der Bühne verabschieden würde, die Karten habe ich wirklich in letzter Minute ergattern können. Ich hab's nicht bereut. Die ganzen alten bösen Lieder mit viel garstigem Humor und leider auch viel Wahrheit. Seine Art, Geschichten mit einem fiesen Lächeln zu erzählen, war einfach einmalig.
Herman van Veen, mehrmals
Immer ein Erlebnis, da völlig unberechenbar. Daß in seinen Programmen ein roter Faden steckt, erkennt man meistens erst im Nachhinein. Einer der ganz wenigen Künstler, die es schaffen, Stimmungen innerhalb weniger Sekunden um 180° zu drehen, ohne daß es gekünstelt wirkt. Eben spottet er noch hochnäsig über die kleinen Gemeinheiten des Lebens, im nächsten Augenblick kniet er schluchzend auf der Bühne und fleht um eine weitere Chance; eben noch trauert er über seine verstorbene Mutter, dann erzählt er von den Formen, die ihr Rauch angenommen hat, als er aus dem Krematorium aufsteigt und bringt mit seinen Assoziationen die Leute zum Lachen. Absolut sehenswert. Und ich habe keinen anderen Künstler erlebt, der nach einer vierten Zugabe fast zwanzig Minuten lang mit Standing Ovations und lautem Applaus zu einer fünften Zugabe gebeten wurde.
Meret Becker, Nachtmahr, Frankfurt/Main, 1999
Ein auf die Bühne gebrachtes Schauergemälde, gemeinsam mit ihrem damaligen Ehemann Alex Hacke, Ex-Einstürzende Neubauten, und einigen Begleitmusiker, die mit Glasscherben experimentierten, mit Rohrstöcken, kaputt wirkenden Instrumenten, Spieldosen, singenden Sägen und anderem abstrusen Instrumentarium inkl. einigen rohen Eiern, die zerrieben wurden. Tiefdüster, aber äußerst atmosphärisch und bedrückend.
Und Meret Becker war so lieb, mir und zwei weiteren Besuchern nach ihrem Konzert ein paar Autogramme der kompletten Crew zu besorgen - und hat dafür ein paar Journalisten warten lassen. Große Hochachtung
Esther Ofarim, Mainz, 2007
Kommt rein, singt. Einfach so. Die Musik verbietet es von selbst, daß man sie zu laut und zu lang willkommen heißt. Zu größtenteils ruhigen Klängen (Leonard Cohen anyone?) singt sie sich warm, erzählt zwischendrin einige Anekdoten, deutet kurz einen alten Schlager an, ehe sie dann doch auf ein anderes Lied ausweicht. Sie weiß, wie man ein Publikum fesseln kann, wie man es neugierig macht, wie man auch mal mit Erwartungshaltungen spielen kann oder etwas ungewöhnlichere Experimente starten kann.
Godspeed You Black Emperor!, Frankfurt/Main, 2002
Eine E-Gitarre macht im Halbdunkel den Anfang, anschließend kommen nach und nach weitere Bandmitglieder auf die Bühne, stapeln Ideen auf Ideen, lassen den Klang explodieren, zerlegen das Stück in seine Einzelteile und beginnen dann mit einem weiteren Aufbau, sehr langsam, sehr unaufgeregt. Fast vier Stunden wurden gespielt, aber nur drei Stücke. Und es war keine einzige langweilige Minute darunter.
Alquimia, im Rahmen des ALPHA CENTAURI-Festivals, Huizen, 1998
Jeder meiner Kumpels, die damals mit dabei waren, hat aufgrund des Programms geglaubt, es mit einer zweiten Enya zu tun zu bekommen - irgendwas Angekitschtes, Elektronisches. Ein paar von ihnen wollten sogar draußen bleiben und erst zur nächsten Gruppe wiederkommen. Irgendwie sind wir dann doch alle rein, vielleicht um zu lästern. Ein demütiger Percussion-Spieler setzt sich rechts zu ihren Füßen und blickt wie Waldi zu ihr auf, sie nimmt das Mikro und macht "Schschschsch!" und läßt das durch den Sampler laufen. Jeder von uns schaut den anderen an und fragt sich, ob man das ernst nehmen kann - und danach folgt ein knapp einstündiger, unbarmherziger Trip durch eine völlig fremde Welt mit Anleihen aus der mexikanischen Kultur, viel Mystik und Atmosphäre. Kommt selten vor, daß ein völlig unbekannter Künstler am Ende seiner Darbietung Standing Ovations erntet, Alquimia hat's geschafft. Auch wenn das folgende Album ("A Separate Reality") leider nicht die Mystik des Auftritts einfangen konnte (abgesehen von dem Bonus-Titel, der bei dieser Gelegenheit mitgeschnitten wurde). Aber jeder hat von diesem Konzert geschwärmt. Zurecht.
Gut, danach kommen noch ein paar einzelne Konzerte ... Udo Jürgens, Bruce Springsteen, Mike Oldfield, Monsters Of Liedermaching, Götz Widmann, Reinhard Mey, Hannes Wader, Sebastian Krämer, Bodo Wartke, Martin Sommer, Dota Kehr, Stoppok, Danny Dziuk, Willy Astor, Six Was Nine, Joe Cocker, Elton John, Rod Stewart, Paddy Goes To Holyhead, Dervish, Dick Gaughan, Altan, Werner Lämmerhirt, KC McKanzie, Strom & Wasser, Stephan Sulke, Air, Sebastien Tellier, Klaus Weiland, Hans-Eckardt Wenzel, Ringsgwandl, Götz Alsmann, Christof Stählin, Tony Joe White, Luther Allison, Bernd Barbe, U-Bahn-Kontrollöre in tiefgefrorenen Frauenkleidern, Page & Plant, Deine Lakaien, Sascha Gutzeit, Jule Neigel Band, Sheryl Crow, Bob Dylan, Bläck Fööss, Earth, Wind & Fire, Nigel Kennedy, Christina Stürmer, Sabrina Setlur, Frank Bode, Calexico, Loreena McKennitt, Wolfgang Buck, Max Greger & Hugo Strasser & Bill Ramsey, Spider Murphy Gang, Erste Allgemeine Verunsicherung, Fish ... na ja, und noch so ein paar andere halt ...
Gruß
Skywise