Oliver Rohrbeck (*1965 in Berlin) ist die deutsche Synchronstimme von Ben Stiller und leiht Justus Jonas in der „Die drei ???“-Hörspielreihe seine Stimme. Zuletzt füllte er mit seinen Detektivkollegen Jens Wawrczeck und Andreas Fröhlich bei der „Phonophobia“-Tournee große Konzerthallen im ganzen Land. Bald steht der zweite Teil der Tournee an. Vor der Record Release Party zur 170. Folge der „Die drei ???“-Hörspielreihe mit dem Titel „Straße des Grauens“ sprach er über sein Label Lauscherlounge, die Probleme öffentlich-rechtlicher Produktionen, die „Die drei ??? Kids“-Hörspiele, Streaming-Portale und verriet dabei auch allerlei Persönliches.
Alexander Sölch: Hallo Oliver, wir haben uns im Vorfeld des Interviews auf das „du“ geeinigt. Kommen wir doch direkt einmal zu deinem Herzensprojekt: Wie steht es um zukünftige Projekte der Lauscherlounge? Zuletzt sind ja eher wenige Produktionen erschienen. Und in welcher Sparte habt ihr die meisten Erfolge für euch verbucht?
Oliver Rohrbeck: Also wir haben am Anfang natürlich viel mehr gemacht und alles Mögliche ausprobiert. Diese Sachen wie Dracula und sowas, die liefen alle ganz gut. Aber ganz gut ist natürlich niemals zu vergleichen mit – zum Beispiel – „Die drei ???“ oder sowas. Das sind natürlich ganz andere Dimensionen. Da sind wir natürlich schon ganz froh, wenn wir dann irgendwie mal nach relativ kurzer Zeit auf 3.000 Exemplare kommen, die wir verkaufen. Das gestaltet sich eben bei manchen Hörspielen nach wie vor sehr schwierig und da muss man sich ganz genau überlegen, was man eigentlich rausbringen will, damit man das nicht jedes Mal einfach in den Wind schießt. Meine große Leidenschaft ist es natürlich, Hörspiele und Hörspiele zu produzieren, aber man kommt auch nicht weiter, wenn man das nicht mal auf Null kriegt.
AS: Einige junge Labels schaffen es trotz hervorragender Qualität nicht, Produktionen herauszubringen, die sich unter dem Strich rechnen. Was würdest du folglich eher begrüßen: Dass Labels versuchen, ihre Nischen zu finden oder dass sie versuchen, das Hörspiel am Leben zu erhalten, indem sie die klassischen Schienen bedienen?
OR: Das muss jedes Label sowieso finden, seine Nische. Und wir haben uns von Anfang an gesagt: Wir werden uns nicht in diese Nische setzen, wie alle anderen, dass wir dann sagen: Komm, jetzt machen wir noch tolle Gruselhörspiele à la „John Sinclair“ zum Beispiel. Weil ich finde, das gibt es eben schon und das machen die Produzenten sehr gut. Das ist also nicht so unser Weg. Unser Weg ist dann das, was wir in den letzten Jahren mit Johanna Steiner und Kai Schwind zusammen gemacht haben. Das ist also mehr unsere Nische. Dass man sagt, wir machen auf jeden Fall Erwachsenenhörspiele. Die sind jetzt nicht erfunden, diese Geschichten, Grusel mit Geistern, sondern das sind eigentlich eher Geschichten fürs Gefühl und für den Kopf. Und wir wollen eigentlich einen Brückenschlag machen zwischen Stoffen von öffentlich-rechtlichen Hörspielen, die sowas machen, aber das dann ein bisschen breitenwirksamer herausbringen. Ich finde teilweise, dass die öffentlich-rechtlichen Hörspiele doch teilweise wenig massentauglich sind.
AS: Da haben wir zum Beispiel die Radio Tatorte mit regionalem Charakter.
OR: Ja, einmal das, aber das ist schon wiederum eher die Ausnahme. Die haben ja sonst auch ganz große Minderheitenhörspiele, die man dann um 23 Uhr auch im Deutschlandradio hören kann. Da muss es dann auch immer um bestimmte Minderheiten und Gruppen gehen, das ist auch der Staatsauftrag. Bloß wir wollen halt einfach solche Stoffe machen, die das Herz berühren, die einen innerlich berühren, die einem zum Nachdenken anregen. Wir wollen jetzt also nicht solche Sensationssachen machen wie Grusel, Mystik, Geister und sonst was. Das ist schwierig, die Stoffe zu finden, die dann zu schreiben und regelmäßig herauszubringen. Da warten wir dann lieber jetzt, ehrlich gesagt, bis wir wieder was Neues finden, wo wir uns sicher sind: Das wollen wir jetzt machen aus voller Überzeugung.
AS: Man sollte also nicht annehmen, dass sich die Lauscherlounge langsam aber sicher zur Ruhe legt und es immer weniger Produktionen von der Lauscherlounge geben wird?
OR: Nein, nein. Es ist eher andersrum. Dadurch, dass wir das Hörspielstudio (XBerg; Anm. d. Verf.) noch haben, haben wir unglaublich viel zu tun, gerade jetzt auch für die anderen Verlage, für die wir produzieren. Gerade mit den ungekürzten Hörspielen für Audible, diesen Fitzek-Hörspielen und sowas, das wir da machen, siebeneinhalb Stunden Hörspiele. Wir sind eigentlich auch total ausgelastet und kommen kaum hinterher, uns um unsere eigenen Stoffe zu kümmern. So würde ich das mal nennen. Aber da sage ich mir immer: Komm, jetzt lassen wir das reifen. Jetzt gibt es schon eine Menge Leute, die uns schon kennen und auch wieder auf was warten. Das ist nicht so schwer wie am Anfang, als uns noch gar keiner gekannt hat. Da war es auch unglaublich schwer, einen Vertrieb zu finden. Das mit dem Vertrieb ist sowieso so eine Sache. Damals haben wir noch gesagt, wir müssen unbedingt auch einen Buchhandelsvertrieb haben und einen Plattenhandelsvertrieb und hatten das auch alles. Mittlerweile merke ich auch, dass der Umstieg der Leute auf digitale Medien...
(Von Seiten des Konzertveranstalters wird Essen geliefert, Oliver spricht kurz zum Veranstalterpersonal)
Ach, das ist aber nett. Einfach da hinstellen, das ist super. Sieht ja toll aus, danke. (wendet sich wieder dem Gespräch zu) Aber mach einfach weiter, bitte. Wo war ich? Also, da haben wir dann... ne, wo war ich? Da haben wir gedacht, wir bräuchten einen Vertrieb. Mittlerweile haben wir das anders gelöst und auch keinen festen Vertrieb, weil wir gemerkt haben, dass die Leute viel mehr downloaden und gar nicht mehr so drauf aus sind, unbedingt das Haptische in der Hand zu halten.
AS: Siehst du in diesem Bereich eine Zukunft, denn auf den Streaming-Portalen wie zum Beispiel Spotify springt offenkundig für viele Kleinlabel nur wenig heraus, was dann unter dem Strich vielleicht dem Gegenwert weniger verkaufter CDs entspricht, obwohl Tausende Hörer die Produktion angehört haben. Siehst du eine Möglichkeit, die Label gegen solche Portalpolitiken abzuschotten?
OR: Und Spotify ist Streamen, oder?
AS: Richtig.
OR: Da muss man immer aufpassen, ob wir da überhaupt dabei sein wollen. Da muss man die Produkte nicht unbedingt reinstellen. Wenn sie dann dort doch auftauchen, dann kann man das auch abmahnen.
AS: Das Meiste wird von den Labels bewusst selbst eingestellt. Manchmal dann auch noch in möglichst kleinen Tracks, weil man eben pro Track bezahlt wird, damit das Hörspiel wirklich noch etwas abwirft. Das heißt, die Hörspiele werden zum Teil in 70 bis 100 Tracks geschnitten, damit überhaupt etwas für das Label finanziell herausspringt, wenn die Hörer die Produktion komplett durchhören. Dadurch werden auch Hörspiele nicht mehr in szenische Abschnitte unterteilt, sondern in viele Tracks zerstückelt. So wird doch auch ein Stück Hörspielkultur zerstört. Was meinst du dazu?
OR: Total. Also da muss man einfach gucken, wie sich das Ganze entwickelt und wie man das in Zukunft macht. Das ist also ständig in Veränderung, die ganze Geschichte. Da kommt man kaum hinterher. Wir merken aber auch: Es ist sinnvoll, für den Downloadmarkt zu produzieren. Und wenn wir nochmal ein Hörspiel mit 60 bis 70 Minuten Länge als CD produzieren, dann nur in einer sehr kleinen Auflage. Die dann aber sehr wertig. Die wird dann natürlich auch viel teuer als der Download. Aber da müssen dann auch ein Booklet und eine Aufmachung sein, dass das Ganze sehr wertig macht. Das ist, glaube ich, schon der Weg, dass man nicht mehr eine komplette Auflage auf CD brennt. Also, da sind wir jetzt schon längst davon weg. Das hilft so nichts mehr.
AS: Einmal persönlicher: Was hörst du denn gerne für Hörspiele? Davon hört und liest man selten.
OR: Ich höre lieber Hörspiele als Hörbücher. Gerade auf Autofahrten. Ich lade mir dann auch mal den Radio Tatort runter. Ich höre gerne - ich hab ja auch früher schon immer erzählt - die waren auch bei Lübbe, die „Edgar Allan Poe“-Reihe, die hab ich sehr gern gehört. Also, jetzt eine Stunde „John Sinclair“ stresst mich auch, ehrlich gesagt. Ich höre da gerne mal rein oder so, das ist aber nicht unbedingt meine komplette Welt, solche abgefahrenen Geschichten da zu hören. Ich höre auch lieber wahre Geschichten.
AS: In welchen Situationen hörst Du Hörspiele? Marco Göllner hatte einmal beim Ohrkanus einen geradezu legendären Auftritt, als er meinte, dass Hörspiele nicht beim Rasenmähen gehört werden sollen, sondern dass das Hörspiel eben auch eine Kulturform sei, die man bitte auch beachten und nicht nebenbei hören sollte, wie es offenbar immer häufiger vorkommt.
OR: Also ich höre das am liebsten beim Autofahren. Wenn ich lange Strecken fahre für die Veranstaltungen. Und das finde ich großartig, eben auf den Strecken auch ein Hörspiel zu hören. Das ist so mein Ding. Zu Hause höre ich eigentlich keine Hörspiele.
AS: Die nächste Frage erübrigt sich dann fast: Hörst du im Sitzen oder im Liegen? Dann hoffentlich nicht im Liegen.
OR: (lacht) Nein, nein. (lacht)