Köhler kritisiert deutsche Wirtschaftsführer
Berlin (AFP) - Unmittelbar nach seiner Wahl zum künftigen Bundespräsidenten hat Horst Köhler deutliche Kritik an den Wirtschaftsführern in Deutschland geübt. "Man muss sich einordnen können in die Situation der Gesellschaft, und einige Wirtschaftsmanager können das sehr schlecht", sagte Köhler in der ARD-Sendung "Sabine Christiansen". Es sei ja nicht so, "dass die Wirtschaftsführer in Deutschland sozusagen glänzen durch Einfühlungsvermögen und Vorbildfunktion".
Wenn jemand ein großes Unternehmen führe, zweistellige Millionenbeträge an Gehalt beziehe und gleichzeitig vermittle, "dass er zehntausende von Leuten freisetzt, dann fehlt es hier nicht nur an Instinkt, sondern auch an unternehmerischem Bewusstsein", sagte Köhler. Allgemein wünsche er sich bei den führenden Managern in Deutschland mehr Verantwortungsbewusstsein. Zur aktuellen Politik in Deutschland sagte der ehemalige IWF-Chef, sie sei "ein bisschen müde geworden, auch zu schauen, was die Bürger wirklich bewegt. Man bewegt sich zu sehr im eigenen Brei."
Gegenüber dem ZDF wies Köhler Äußerungen der Union zurück, seine Wahl sei ein Zeichen für einen bevorstehenden Machtwechsel auf Bundesebene. Er sehe sich "nicht als Bannerträger eines Machtwechsels". Dass die politischen Parteien dies so bewerteten, sei "ihre Sache". Seine Wahl sei jedoch mit der Aufforderung verknüpft, überparteilich zu handeln.
Auch CDU-Chefin Angela Merkel fühle er sich "nicht in besonderer Weise verpflichtet", sagte Köhler weiter. Er werde mit ihr zusammenarbeiten wie mit jedem anderen politischen Führer in diesem Land. Über Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte der 61-Jährige: "Der Bundeskanzler war immer fair zu mir." Schröders Reformwille sei beachtlich.
Der Kandidat von Union und FDP war am Sonntag von der Bundesversammlung zum neuen Bundespräsidenten gewählt worden. Köhler tritt am 1. Juli die Nachfolge von Johannes Rau an.
Köhler kündigte an, er werde sich als Bundespräsident nicht auf das Repräsentieren beschränken. Der Bundespräsident solle nicht schweigen, wenn es erkennbar große Probleme gebe. Dabei wolle er kein "Ersatzkanzler" sein. In seinem künftigen Amt werde er jedoch nicht zögern, wichtige Themen anzusprechen: "Ich werde die Dinge beim Namen nennen, weil die Deutschen die Wahrheit vertragen können."
Quelle: Jahu!