[isbn]B000654TLK[/isbn]
© 2007 vghaudio / Maritim
Buch: Ascan von Bargen
Laufzeit:
58:53 Minuten [14 Tracks]
Sprecher:
Erzähler - Peter Weis
Dr. Joaquin Ferrier - Christian Rode
Frédéric Moreau: Gernot Endermann
Christine de Louvaine - Daniela Hoffmann
Gustave - Peter Groeger
Marie Fontenay - Christine Pappert
Thomas Fontenay - Rolf Jülich
Diener - Wolfgang Bahro
Herr - Gerd Baltus
sowie
Norbert Langer, Pia Werfel, Henry König, Michael Pan u. a.
Paris im Jahr 1894.
Dr. Joaquin Ferrier wird zu einer Patientin gerufen. Als er zu ihr kommt, bietet sich ihm ein fürchterlicher Anblick: das, was da auf dem Bett scheinbar im Sterben liegt, sollte eigentlich ein 15jähriges Mädchen sein, gleicht jedoch weit eher einer Mumie. Trotz seiner Bemühungen stirbt das Mädchen mit einigen geheimnisvollen Worten auf den Lippen und sonderbaren Malen am Hals. Doch das ist nicht der einzige dieser Fälle - auch andere Menschen tragen dieselben sonderbaren Symptome wie das Mädchen. Dr. Ferrier macht sich auf die Suche nach Erklärungen.
Zunächst mal: ja, es stimmt - man hat tatsächlich ausschließlich auf Sprecher zurückgegriffen, die ohnehin im Maritim-eigenen Studio ein- und ausgehen. Macht das was? Nö. Warum auch. Erstens kennt bestimmt nicht jeder alle laufenden Maritim-Serien und zweitens - hey, das sind gute, professionelle Sprecher, die auch Stimmungen transportieren können ... was soll daran schlecht sein? Hinzu kommt, daß die Sprecher wirklich zu ihren Rollen passen und versuchen, ihren Charakteren Leben einzuhauchen (oder selbiges auszuhauchen ... gestorben wird in dem Hörspiel ja auch

)
Dann: ja, auch bei der Musik hat man größtenteils auf bestehende Archivaufnahmen zurückgegriffen. Macht das was? No. Warum auch. Erstens kennt bestimmt nicht jeder alle laufende Maritim-Serien und zweitens - hey, das ist gute, professionelle Musik, die auch ruhig häufiger eingesetzt werden kann ... wenn so etwas schaden würde, würde jeder noch in den nächsten Jahrzehnten weite Bögen um Europa oder das Tonstudio Braun machen. Also: die Musik ist gut, stilistisch für die Untermalung des Hörspiels geeignet, sorgt an den richtigen Stellen für Akzente, mit anderen Worten: paßt schon!
Doch was ist mit dem Hörspiel selbst?
Hier kommt das große, ungewisse "Tja". Das Hörspiel an sich ist mit der "Nacht des Schreckens" nicht abgeschlossen. Genau genommen endet es mit einer überraschenden Wendung an einer Stelle, an der man eigentlich das Gefühl hatte, daß die Handlung so langsam ins Rollen kommt. Eine Erklärung für die bisherigen Ereignisse wird nicht geliefert (eigentlich noch nicht mal ansatzweise); somit darf man damit rechnen, daß mindestens noch ein weiterer Teil von "Requiem" folgen wird.
Dadurch, daß die Geheimnisse um die sonderbaren Todesfälle zunächst im Hintergrund bleiben, ist es praktisch unmöglich, die Geschichte vernünftig zu bewerten. Bis kurz vor Ende des Hörspiels wirkt der Aufbau vergleichsweise routiniert. Kenner von Untoten-Geschichten werden an den beschriebenen Vorkommnissen nichts finden, was nicht an anderer Stelle schon einmal beschrieben worden wäre. Möglich ist allerdings, daß im zweiten Teil noch ungewöhnliche Wendungen auf den Hörer warten - einige Wege, die Dr. Ferrier bei seiner Suche einschlägt, könnten Sackgassen sein ...
Ob die Geschichte gut umgesetzt ist, ist eine ziemlich knifflige Frage. Sprechertechnisch auf jeden Fall (siehe oben), in Bezug auf die Musik auch (siehe oben). Bei den Effekten hat man sich schon etwas zurückgehalten. Fans von Dolby Digital Surround 5.1 mit Extra-Pfund im Baß werden hier definitiv nicht auf ihre Kosten kommen, ebensowenig all diejenigen, die bei den Effekten Kinomaßstäbe ansetzen, sprich: bei denen ein platzender Schädel so klingen muß, als ob man einen Elefanten von einem 30stöckigen Hochhaus auf einen Stand mit überreifen Melonen schubst. Sagen wir einfach mal: die Effekte halten sich in der Regel vornehm im Hintergrund und versuchen, die Handlung zu unterstützen, nicht zu unterbrechen. Und wenn man mal von einer Szene absieht, in der man deutlich hörbar den Effekt einer schreienden Menschenmenge über längere Zeit ständig wiederholt hat, ist das eigentlich auch ganz gut gelungen. Ordentliches Handwerk.
Reden wir über ein etwas düsteres Kapitel: das Drehbuch.
Einer der Punkte, die sich beim Hören dieses Hörspiels negativ bemerkbar machen, ist die Geschwindigkeit der Handlung. Es gibt einige (nicht nur! aber eben doch einige) überlange Dialoge, bei denen der Hörer unwillkürlich den Jetzt-komm-endlich-zum-Punkt-Eindruck hat. Natürlich kann man die Spannung durch eine solche Hinhaltetaktik erhöhen. Frustrierend wird's allerdings, wenn dieser Bogen überspannt wird oder nach einem Redeschwall kein Akzent in der Handlung gesetzt wird. Gift für den Ablauf ist es, wenn direkt danach auch noch der Erzähler zu einer etwas längeren Erzählpassage ausholt und die Spannung, die sich aus der vorherigen Szene ergab, wieder auf den Nullpunkt drückt.
Erschwerend kommt hinzu, daß phasenweise die Sprachschraube über Gebühr angezogen wird. Nichts gegen eine blumige Ausdrucksweise, aber es gibt Dinge, die geschrieben vielleicht ganz gut aussehen, gesprochen jedoch einfach nur umständlich wirken (klar weiß ich, daß "übel beleumundete Gestalten" durchaus im einen oder anderen Sprachschatz anzutreffen sind, aber in einer gesprochenen Beschreibung wirkt diese Wendung eher befremdlich und somit störend; herzliches Beileid an dieser Stelle an Erzähler Peter Weis, der sich beim Lesen jener Passage so anhört, als hätte er einige Versuche hinter sich, bis der dazugehörige Satz saß). Vor allem gilt dies in Bezug auf die Verwendung von Adjektiven oder beschreibenden Nebensätzen, die wirklich in Hülle und Fülle vorhanden sind und so zu Sätzen führen, die doch arg konstruiert wirken. Durch dieses Manko entstehen einige Szenen, die beim Hörer andere Gefühle hervorrufen als wahrscheinlich beabsichtigt - eine wohl herzzerreißend gemeinte Alptraum-Schilderung bekommt auf diese Weise den Charme einer Literaturdiplomarbeit. Schade drum.
Fazit: Dadurch, daß "Requiem" nicht abgeschlossen ist, laßt sich nur ein unklares Fazit ziehen. Gute Sprecher, gute Musik, ordentliche Effekte, Handlungsaufbau eher zögerlich, Sprachstil teilweise etwas überdreht, was den Gruseleffekt in eine andere Richtung lenkt.
"Ausbaufähig" dürfte für das Hörspiel ein passendes Wort sein. Oder - um es den etwas vorsichtigeren Leuten deutlicher zu sagen - "Kann man kaufen. Muß man aber nicht." Es ist natürlich möglich (und allgemein natürlich wünschenswert), daß sich diese Meinung im Verlauf der zweiten Folge ändert.