An diesem Wochenende gibt es auch wieder die ein oder andere durchaus lohnenswerte Produktion im Radio:
Los geht es heute abend ab 20.00 Uhr auf DRS 1 mit dem fünfteiligen Hörspiel
Wassermusik
Autor: T.C. Boyle
Produktion: NDR / HR 2005
Regie: Leonhard Koppelmann
Musik: Henrik Albrecht
Länge: 5 x 50 Min.
Mit:
Andreas Pietschmann (Mungo Park), Thomas Fritsch (Erzähler 1), Matthias Koeberlin (Ned Rise), Udo Schenk (Erzähler 2), Anna Thalbach (Alie Anderson), Doris Kunstmann (Erzählerin), Horst Bollmann (Lord Graham Justus Twit), Traugott Buhre (Sir Josef Banks), Peter Fricke (Sir Reginald Durface), Michael Habeck (Johnson), Marion Breckwoldt (Fatima), Wolf-Dietrich Sprenger (Ebo-Abo, Dr. Delb), Barbara Nüsse (Alte), Wanja Mues (Black), Thor W. Müller (Sandal) u.v.a.
Die opulent und süffig inszenierte Sommer-Hörspielserie auf DRS 1 hat zwei Hauptfiguren. Der eine, Mungo Park, ist ein ruhmsüchtiger Abenteurer, der sich 1795 daran macht, eines der ungeklärten Mysterien des schwarzen Kontinents zu lüften und zu entdecken, was bislang kein Menschenauge je zu sehen bekam: den Niger. Über vielerlei Irr- und Umwege, durch sengende Hitze und klirrende Kälte kämpft er sich schließlich zu ihm vor und kehrt als gefeierter Held in die Londoner Gesellschaft zurück. Der andere, Ned Rise, ist ein abgewrackter Underdog, ein vom Leben gebeutelter Kleinganove, den die Metropole des 18. Jahrhunderts geradewegs auf ihre dreckigen Pflaster gespieen hat. Auf Mungos zweiter Niger-Expedition 1806 treffen die beiden aufeinander, doch nur Ned Rise wird zurückkehren. In seinem purzelbaumschlagenden, sprachbarocken Divertissement schickt T.C. Boyle die historische Figur und den fiktiven Helden in ausschweifende Abenteuer, er öffnet einen grellbunten Kosmos der Abstrusitäten und belehrt nebenbei über die kulturhistorische Rolle des Gins und die Erfindung des Mikroskops.
Die weiteren vier Teile gibt es dann an den kommenden Freitagen auf dem gleichen Sendeplatz.
Wer lieber ins Krimifach schielt, der sollte ab 20.05 Uhr bei WDR 5 vorbeihören, denn da läuft
Ein Leichentuch aus Gischt
Autor: Sam Llewellyn
Produktion: WDR 2002
Regie: Tim Vowinckel
Bearbeitung: Tim Vowinckel
Länge: 55 Min.
Mit:
Jochen Horst, Paul Faßnacht, Bruno Winzen, Udo Schenk, Christoph Maria Herbst
Ein nagelneuer Trimaran wird getestet. Während der Rennsegler in einer Sturmnacht vor der südenglischen Küste liegt, kommt es zur Katastrophe: Die Ankerleine bricht, das Boot zerschmettert an den Felsen. Eigner Ed Boniface und Skipper James Dixon können sich zwar im letzten Moment von Bord retten, aber der dritte Mann, Alan Burton, verschwindet in den Wellen. Wenig später taucht er bei einer Sponsorenparty wieder auf - doch diese überlebt er nicht. James Dixon lässt die Sache keine Ruhe. Warum musste Alan sterben? Und was hat der berühmte Segler Terry Tanner damit zu tun? Bevor er diese Fragen klären kann, muss Dixon allerdings einen Sponsor für sein eigenes Boot "Secret Weapon" finden, mit dem er die große Regatta gewinnen will. Der gebrochene Arm eines Konkurrenten beschert ihm überraschend den gesuchten Geldgeber. Ein Zufall? Kann Dixon die Regatta nun für sich entscheiden? Und wenn ja: Wird er die Siegesfeier überleben?
Meine Meinung:
Intrigen und Mord im Milieu des Segelsports. Auch mal ein wenig alltägliches Thema, dass dem Hörspiel den Hauch des Originellen verleiht. Der Fall an sich ist allerdings nicht besonders spektakulär, auch die Lösung ist vielleicht ungewöhnlich , allerdings nicht wirklich sonderlich überraschend.
Dennoch hat Tom Vowinckel eine recht ansprechende und glaubhafte Szenerie geschaffen, der zudem sehr gut agierende Sprecher - u. a. hört man hier Christoph Maria Herbst in seiner ersten (und ohnehin seltenen) Hörspielrollen - ordentliches Leben einhauchen.
Man darf hier gerne einschalten.
Meine Wertung: + + +
Die Wiederholung läuft morgen ab 10.05 Uhr ebenfalls in WDR 5.
Etwas skuril wird es dann auf rbb kulturradio ab 22.04 Uhr:
Fritz und Willi
Autor: Karl Heinz Bölling
Produktion: WDR 2007
Regie: Frank Erich Hübner
Länge: 54 Min.
Mit:
Fritz: Ludger Burmann
Willi: Ralf Schermuly
Erika: Regine Vergeen
Eva: Beate Abraham
Susi: Sandra Borgmann
Enzo: Peter Nottmeier
Erwin: Volker Lippmann
Irgendwo im Kohlenpott: Als die beiden Rentner Fritz und Willi vor ihrer geschlossenen Stammkneipe stehen, wissen sie, dass sich schon wieder ein Teil ihres Lebens in Luft aufgelöst hat. Den Glauben an die Menschheit hat Fritz längst verloren. Er glaubt nicht an das Gute, denn der Mensch hat noch zu viel vom Affen in sich. Überhaupt wäre es manchmal besser, gewisse Zeitgenossen würden sich einfach auflösen. Enzo zum Beispiel, dessen Verschwinden allerdings die Folge von zwei gezielten Pistolenschüssen ist - Willi hat ihn umgebracht, aus Eifersucht, die Waffe hat er von Fritz. Auch der gesteht einen Mord, aber das spielt schon fast keine Rolle mehr, denn die große Auflösung hat längst begonnen.
Meine Meinung:
Es fühlt sich zunächst wie eine reine Milieustudie aus dem Ruhrpott an, wechselt in den Krimi und landet im Phantastischen und Philosophischen. Ein Hörspiel, dass sicherlich Böllings Fans gefallen dürfte, den Mainstreamhörer doch eher etwas befremdlich anmuten wird.
Frank Erich Hübner schafft es - nicht zuletzt durch eine gut agierende Sprecherriege - ein anschauliches und stimmiges Bild zu zeichnen.
Wer mal etwas abseits der ausgetrampelten Hörspielpfade hören möchte, der ist hier in recht guten Händen.
Meine Wertung: + +
Gegen 22.33 Uhr läuft dann auf SWR 2 das "Hörspiel des Jahres 2006":
Enigma Emmy Göring
Autor: Werner Fritsch
Produktion: SWR 2006
Regie: Werner Fritsch
Länge: 54 Min.
Bewertung:
Mitwirkende:
Irm Hermann
»"Enigma Emmy Göring" ist der Versuch, zwei Phänomene des vergangenen Jahrhunderts, die Masseneuphorie und Massenhysterie hervorgerufen haben, auf spielerische Weise ineinanderzuspiegeln: Dass diese Wirkungen - zum Glück! - die denkbar konträrsten sind, ist der Stein, aus dem die komischen, aber auch die abgründigen Funken der Inszenierung geschlagen werden, die gerade dadurch im Idealfall Erkenntnis zulassen. Insgesamt die Umkehrung all der Texte, die ich geschrieben habe, um Sprachlosen Stimme und vom Vergessen bedrohter Erinnerung Raum zu geben, ist dies Satyrspiel eine Parodie auf die sich allgemach immer breiter machende, immer unkritischere Nazi-Nostalgie, mit der sich die Medien hohe Einschaltquoten erheischen.« (Werner Fritsch)
Hörspiel des Monats September 2006, Begründung der Jury der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste:
Grenzenlose Naivität, skrupelloser Eigennutz, Selbstgefälligkeit und die Fähigkeit, das nicht ins heimelige Welt- und Selbstbild Passende ganz selbstverständlich auszublenden - Werner Fritsch entwirft einen Charakter, der nicht nur Hermann Görings Frau zu einer willigen und deshalb gefährlichen Ignorantin machte. So schrecklich und furchterregend dies klingt, so beißend, amüsant und entlarvend ist Werner Fritschs Monolog der Emmy Göring, die aus der Puderdose plaudert und die ganze Spießigkeit, die verbrämte Tugendhaftigkeit der Nazi-Elite zur Schau stellt.
Ein Spiel, reich an Material, an Sprachfärbungen, Geräuschminiaturen, musikalischen Versatzstücken, Zeitgeschichte und Geschichtchen, ein absurdes Hörstück über Schein und Sein, das uns das Schaudern lehrt.
Meine Meinung:
"Enigma Emmy Göring" ist ein hörenswertes Stück, keine Frage - allerdings werden sich die wenigsten Hörer auf diesen - wenngleich erstklassig dargebotenen - Monolog einlassen. Anspruchsvoll, aber eben nicht ansprechend. Trotz der inhaltlichen Qualität kann ich daher das "Hörspiel des Jahres 2006" nicht uneingeschränkt empfehlen.
Dem Radiohörspiel hat man mE einen Bärendienst erwiesen, in dem man diese Produktion zum Hörspiel des Jahres gemacht hat. Denn die meisten, die unvereingenommen diese Produktion hören, würden sicherlich nicht wissen wollen, was auf den Plätzen gelandet ist.
Ein wenig Mut zur Gefälligkeit täte gut, das sollte auch möglich sein, ohne Gefahr zu laufen, sich dem Mainstream anzubiedern.
Meine Wertung: +
Morgen Abend bringt NDR-Info ab 21.05 Uhr dann noch einen richtigen Knaller:
Das letzte Hemd hat keine Taschen
Autor: Horace McCoy
Produktion: SWF/HR/NDR 1995
Regie: Walter Adler
Bearbeitung: Walter Adler
Länge: 46 Min.
Mit:
Heinrich Giskes, Wolfgang Rüter, Angelika Bartsch, Katharina Zapatka, Sascha Icks, Klaus Weiss, Horst Mendroch, Walter Renneisen, Charles Wirths u. v. a.
Mike Dolan ist es nur recht, als der Chef der Zeitung ihn feuert. Er hat es schon lange satt, dem Redakteur nach dem Mund zu schreiben. Jetzt stellt er eine eigene Zeitschrift auf die Beine, eine, die den Dreck in der Stadt nicht vertuscht und den Bossen die Meinung sagt. Aber von Anfang an versucht man, Dolan unter Druck zu setzen. Schläger kassieren die Zeitschrift an den Kiosken. Die Druckerei stellt die Arbeit ein. Dolan widersetzt sich mit allen Kräften. Und dann entdeckt er den Stoff für den ganz großen Schlag gegen die verlogenen Stadtväter. Doch auch gegen ihn ist ein Schlag geplant.
Miene Meinung:
Diese Produktion nach Horace McCoy ist mit allerlei Elementen und Details dicht bepackt, so sehr, dass man sich fragt, wie man das nur alles in eine gute dreiviertel Stunde unterbringen kann.
Die Story hält sich nicht mit langem Vorgeplänkel auf, ehe man sich es versieht ist man inmitten der Geschichte, die Walter Adler mit kurzen, knackigen Szenen zu Spannung und Tempo verhilft.
Aber nicht nur die Geschichte stimmt - denn Walter Adler schafft es als Regisseur aus einem ohnehin guten Skript noch eine Menge herauszuholen. Mit passenden Sounds und Musikstücken schafft er eine überaus lebendige Kulisse.
Mit vielen guten Sprechern, selbst absolute Kleinstrollen sind hier erstklassig besetzt, kann diese Produktion auch noch aufwarten.
Hier gibt es einfach nichts auszusetzen. Eine erstklassige Produktion, die ich absolut empfehlen kann!
Meine Wertung: + + + + +
Am Sonntag morgen ist dann wieder ab 11.10 die Zeit des Philip Maloney auf DRS 3:
Philip Maloney: Die Expedition
Autor: Graf Roger
Produktion: DRS 2001
Mit:
Michael Schacht als Philip Maloney / Jodoc Seidel als Polizist /Isabel Schaerer als Brigitte Mohn / Barbara Maurer als Dana Markovic / Heinz Margot als Larry Hug / Philipp Stengele als Raffael Studer / Ueli Beck als Hans Habegger / Peter Schneider
Maloney wird von Frau Mohn in einen alten Stollen eingeladen. Der Unterbau diente früher dem Militär als geheimes Versteck. Frau Mohn hat den Stollen gekauft und versucht darin Angstpatienten mit einer neuen Therapieform zu heilen. Sie möchte, dass Maloney ein Auge auf die Patienten wirft, da bei der letzten Expedition im Stollen ein Mann spurlos verschwand.
Meine Meinung:
Privatdetektiv Maloney ist ein Fall für sich. Der Humor ist schräg, albern, zum Teil unter der Gürtellinie aber auch genial unterhaltend. Denn immerhin ist er der Hörspieldetektiv der mit Abstand die meisten Fälle auf dem Buckel hat. Auch wenn das Thema "Krimi" hier wirklich nur die Fassade ist.
Dank Satellit und Internet ist er seit geraumer Zeit auch überall in Deutschland hörbar und wird sicherlich den ein oder anderen Fan noch rekrutieren können. Denn wenn man einmal Blut geleckt hat, ist der Termin Sonntag ab 11.00 auf lange Sicht geblockt.
Bei "Die Expedition" hat es Maloney wieder mit einem hanebüchenen Fall zu tun, der einiges an wohltuenden Albernheiten zu bieten hat. Wer nicht vor Fotokopiererphobien und ähnlichem Unsinn zurückschreckt, vielleicht sogar darüber schmunzeln kann, der sollte hier mal ein Ohr riskieren.
Meine Wertung: + + +
BR 2 bringt am Sonntagnachmittag ein Hörspiel nach dem gleichnamigen Erfolgsroman:
Tannöd
Autor: Andrea Maria Schenkel
Produktion: NDR 2007
Regie: Norbert Schaeffer
Bearbeitung: Norbert Schaeffer
Länge: 50 Min.
Mit:
Michael Vogtmann, Christa Berndl, Udo Wachtveitl, Brigitte Hobmeier, Ilse Neubauer u.v.a.
Sie galten als eigenbrötlerisch, mürrisch und finster. Hausten auf einem abgelegenen, verwahrlosten Hof. Hüteten ein Geheimnis, von dem alle wussten. Jetzt sind sie tot: der Bauer, seine verhärmte alte Frau, die Tochter mit den beiden Kindern, die neue Magd. Ermordet mit einer Spitzhacke. Das Blutbad auf dem, in der Oberpfalz gelegenen Dannerhof Mitte der fünfziger Jahre wird in diversen Hörbildern rekonstruiert: Protokolle der Dorfbewohner wechseln sich ab mit inneren Monologen. Alle kommen zu Wort, auch der Mörder. Die einzelnen Stimmen schwellen an zu einem Stimmenchor aus Lebenden und Toten, Schuldigen und Unschuldigen, dem Täter und den Opfern. Immer engmaschiger webt Andrea Maria Schenkel ihre Textur aus Protokollen und Erzählung, Außen- und Innenbetrachtung, Chronik und Alptraum. Schlussendlich enthüllt sie weit mehr als nur den Mörder: eine Familien-Tragödie archaischen Zuschnitts und das Porträt einer von Katholizismus und Bigotterie beherrschten bäuerlichen Dorfgemeinschaft mit traumatischem Beziehungsgeflecht.
Meine Meinung:
Das Buch von Andrea Maria Schenkel ist der Überraschungserfolg des Jahres im Bereich Krimi - "Tannöd" wurde mit Preisen überhäuft. Schenkel hat sich einem wahren Fall angenommen und diesen mit einfachen Mitteln transportiert. Sie lässt hier alle Beteiligten in Form von Aussagen zu Wort kommen und so ergibt sich nach und nach ein Gesamtbild.
Norbert Schaeffer hat diese beklemmende Geschichte hörbar gemacht. Auch wenn es ihm nicht gelang das Medium so zu nutzen, um aus der Vorlage noch mehr zu machen, ist "Tannöd" auch in der Hörspielversion durchaus zu empfehlen. Denn zumindest Inhalt und Atmosphäre werden hier gut transportiert. Dennoch wirkt es wegen der starken Anlehnung an das Buch fast mehr wie eine Lesung, den ein richtiges Hör"spiel".
Meine Wertung: + + +
Außerdem gibt es dann noch ab 22.00 Uhr die Fortsetzung der Edgar Allan Poe-Reihe auf HR2, sowie ab 22.30 Uhr auf MDR-Figaro das Kriminalhörspiel "Zwölf Fotos zuviel" - Infos zu beiden sind heute im Update auf meiner Seite enthalten.
Einschalten werde ich u. a. bei folgenden Produktionen:
14.07.2007, 0.05 DLF: "Literatur Letal"
15.07.2007, 15.05 DLR: "Schwefelgelb - Mörderische Kälte"
15.07.2007, 17.05 WDR 5: "Revolte auf Luna" Teil 1
auch dazu gibt es Hinweise zu Inhalt, Sprechern pp. auf meiner Seite.
Viel Spaß beim Hören!